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Ein berühmtes Zitat von E.T.A. Hoffmann ist „Wo Sprache aufhört, beginnt die Musik.“ und es ist unglaublich, wie wundervoll diese Aussage den Auftritt von LACRIMAS PROFUNDERE in Leipzig beschreibt. Im Rahmen ihrer How to Shroud Yourself with Night Tour, durften wir ein Konzert erleben, was noch sehr lange im Gedächtnis derer bleiben dürfte, die es erleben konnten.
Bevor ich diesbezüglich weiter ins Detail gehe, möchte ich dieses Mal einen extra großen Dank an lightinmirror.de loswerden! Sie hat hier sämtliche Skills angewandt, um euch da draußen diese Bilder zu ermöglichen! Vielen, vielen Dank!

Nun aber zurück zur Sache: Leipzig ist ja bekannt für die Dunkle Szene, die sich am prominentesten im Wave Gothic Treffen (WGT) manifestiert hat. Es gibt daher kaum eine perfektere Stadt, für eine im Gothic so verankerte Band, wie LACRIMAS PROFUNDERE. Mit ihrem Anfang September erschienen Album How to Shroud Yourself with Night haben sie wieder einmal bewiesen, dass sie Meister ihres Genres sind.
Treffpunkt für den Leipziger Stop der dazugehörigen Tour war die Moritzbastei im Herzen der Messestadt. Es war mein erstes Mal in diesem Kulturzentrum, das, wie meine Recherche ergeben hat, der einzig verbliebene Teil der Leipziger Stadtmauer ist. Die roten Backsteine sind ein ziemlicher Hingucker, auch wenn das Innere der Anlage sehr verwinkelt und verworren ist. Alleine hätte ich mich dort sicherlich nicht wieder herausgefunden. Für das Ambiente empfand ich es aber als überaus passend! Das Konzert fand in einer Art Gewölbe(-keller) statt, das für solche Zwecke entsprechend ausgebaut war.

Der Raum war gut gefüllt und gegen 20:30 hatte die Vorfreude endlich ein Ende. Nach einem kurzen Intro erfüllten auch schon die ersten Töne von To Disappear in You die Moritzbastei. Mit dem ersten Song eines Sets setzt man die Erwartungen des Publikums für den Rest des Auftritts. In dieser Hinsicht war das der perfekte Opener, denn er vereint alles, was die Band (und auch das letzte Album) so hörenswert macht: Ehrliche Freude an der Musik, konsequente, eingängige Melodien, perfekte Abstimmung der einzelnen musikalischen Stilelemente und die genialen Vocals von Sänger Julian Larre.
Normalerweise bin ich ja nicht so der Typ für das Herausheben einzelner Personen aus der Band, weil ich Musik für ein gemeinschaftliches Projekt halte, das nicht nur vom Individuum lebt. Aber hier muss ich das einfach machen! Ich habe lange überlegt, aber ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich NOCH NIE!! einen Sänger erlebt habe, der so scheinbar aufwandslos perfekt performed wie Julian es tut. Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie er die Wechsel zwischen den unterschiedlichen Vocal-Arten so nahtlos schafft! Muss man da nicht mal Luft holen?!
Ich war auch absolut überwältigt von seiner Stimmfarbe. Seine Stimme klingt, wie sich schwarzer Samt anfühlt oder wie dunkle Schokolade schmeckt. Beim Hören des Albums fand ich das schon sehr mitreißend, aber live hat es mir einfach eine Gänsehaut beschert. Generell sind tiefe oder dunkle Stimmen ja im Metal üblicher als in anderen Genres, aber hier haben wir es wirklich mit einem Ausnahmetalent zu tun!
Der Gedanke, den ich immer wieder hatte, war, dass Julian mir genau das gibt, was ich bei HIM immer gesucht, aber nie gefunden habe.
Ein bisschen Sorge bereitet mir auf lange Sicht nur Julians Bewegungsdrang… Wenn man ihn da so springen, laufen und von der Bühne verschwinden sieht, hat man fast auch ein bisschen Angst, dass er irgendwann mal stürzt und sich verletzt. An dem Abend ist aber nichts passiert, also hat er da wohl schon genug Übung! Aber trotzdem: Bitte aufpassen!

Bei allem Lob für Julian möchte ich aber betonen, dass wir es bei LACRIMAS PROFUNDERE nicht mit einer Back-Up-Band für einen guten Sänger zu tun haben. Es war faszinierend, die Freude der einzelnen Bandmitglieder beim Spielen der Songs zu beobachten. Natürlich hat jede Band irgendwie Freude am Spielen der eigenen Musik, aber bei LACRIMAS PROFUNDERE ist es nochmal etwas ganz anderes! Zusätzlich zu der „Ja, wir dürfen auftreten!“-Freude kam hier aus meiner Sicht eine ehrliche „Diese Songs machen mir so viel Spaß!“-Freude, die mich auch sehr ergriffen hat. Egal, wem man ins Gesicht geschaut hat, man hat immer ein Lächeln oder das Mitsingen des jeweiligen Songs beobachten können. In den über 12 Jahren, in denen ich regelmäßig Konzerte und Festivals besuche, habe ich das so in dem Maß nicht einmal erlebt.
Musikalisch hatten LACRIMAS PROFUNDERE sich auch enorm viel vorgenommen! Über einen Zeitraum von über mehr als 2h haben sie ganze 22 Songs und 3 verschiedene Intros präsentiert (korrigiert mich bitte, wenn ich mich verzählt haben sollte). Darunter waren einerseits mein persönlicher Favorit An Invisible Beginning, aber auch „ältere“, bekannte Songs, wie My Release in Pain. Was mich live noch sehr überzeugt hat, waren Celestite Woman und Mother of Doom. Im Vorfeld habe ich die beim Hören eher übersprungen, aber in dem Ambiente, mit der Stimmung und dieser Performance war das einfach ein Erlebnis! Hier können sich andere Bands gerne mal ein bisschen Inspiration holen. Es war mal wieder ein Beweis, dass es gar keiner großen, überproduzierten Bühnenshow bedarf, um eine herausragende Performance abzuliefern. Freude an der eigenen Musik wandelt sich nunmal direkt in Freude des Publikums!

Und dieses Publikum hatte Spaß! Es hat nicht lange gedauert, bis die Leute getanzt und einfach die Musik gefühlt haben. Natürlich wurden alle auch von Sänger Julian dazu animiert, aber ein Publikum muss sich darauf ja auch erst einmal einlassen. Es ist viel wert, wenn sich das Publikum so auf die in der Musik vermittelten Gefühle einlässt.
Was mir jedoch etwas negativ aufgefallen ist, war, dass die meisten Menschen in der ersten Reihe fast das gesamte Konzert gefilmt haben. Generell darf natürlich jede/r alles so machen, wie gewollt, aber nach zwei Jahren ohne Live-Veranstaltungen finde ich, dass man das Handy auch mal etwas weniger nutzen und dafür die Musik mehr genießen kann. Ich möchte mich an dieser Stelle auch nicht um das Für und Wider von Social Media, Smartphones, etc. streiten. Aus meiner Sicht ist ein Abend, den man vollumfänglich nutzt, in jedem Fall besser als ein übersteuertes Handyvideo, bei dem man die Hälfte nicht sieht.
Aber egal, auf welche Art und Weise man dieses Konzert erlebt hat, es war trotz der langen Setlist einfach viel zu kurz. Es hätte auch doppelt so lang gehen können und es wäre mir noch nicht genug gewesen. Zwischen dem Publikum und der Band war eine temporäre (dunkle) Intimität entstanden, in der man gut noch hätte verweilen können. Wie so oft im Leben kann man aber auch nicht alles haben, sodass Father of Fate dann wirklich das letzte Lied des Abends war.
Etwas unglücklich empfand ich auch, dass man seitens der Gebäude-Security den Saal schon etwa 15min nach Ende des Konzerts schloss und alle Richtung Bar und Merch-Stand bugsierte. Das hätte man sicherlich auch etwas später noch machen können…
In der Rückschau auf den Abend steht für mich aber zweifellos fest, dass ich das beste Konzert des Jahres erlebt habe, das zudem auch in meinen Top 3 der erlebten Konzerte generell einen Platz gefunden hat. Solltet ihr da draußen auch noch überlegen euch diese Band mal anzuschauen, dann macht das!! Holt euch ein Ticket und los gehts!
Seid auch nicht traurig, wenn ihr noch mehr Content wollt: In den nächsten Wochen erwarten euch hier noch spannende Interviews mit den unterschiedlichsten Bands! Bleibt also gespannt!

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