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Wie angekündigt, folgt auf den Konzertbericht nun ein Interview! Tuomas Saukkonen hat sich die Zeit genommen, um einen, teilweise sehr persönlichen, Einblick in seine Schaffenssphäre zu geben und ich war selbst überrascht, wie lange wir über Themen, wie psychische Gesundheit, Musik als Verarbeitungswerkzeug und die Tour gesprochen haben! Lest aber gern selbst in dieses Follow-Up zum Rockharz-Interview rein.
Vielen Dank auch an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder!

Shieldmaiden’s Voice: Der Grund, warum ich dich erneut, so kurz nach dem Rockharz, interviewen wollte, war, dass ich dachte, dass es da einige Dinge gab, denen man nochmal tiefer nachgehen könnte. Aus diesem Grund ist meine erste Frage etwas anders als sonst: Wie viel von dir selbst steckt in der Musik, die du schreibst?
Tuomas Saukkonen: Das Level variiert. Das meiste von mir steckt wahrscheinlich in den Texten. Denn die Musik selbst bleibt immer gleich, mehr oder weniger. Ich schreibe immer für mich selbst, es ist wie ein Soundtrack. Es ist entweder Musik, die ich gerne hören würde oder die ich gerne live spielen würde. Die Texte sind dabei die größte Trennlinie: Manche Texte sind überhaupt nicht persönlich. Bei den letzten WOLFHEART-Alben habe ich Themenalben gemacht, wo nichts von mir in den Texten vorkommt. Auf dem letzten Album geht es um finnische Mythologie und auf dem davor um den Winterkrieg zwischen Finnland und Russland. Aber es gibt auch Songs auf den vorherigen Alben, bei denen ich mich nicht wohlfühle, wenn ich sie live spiele.
SV: Würdest du sagen, dass deine Musik eine Erweiterung deiner selbst ist?
Tuomas Saukkonen: Ja, aber es ist ein geschütztes Spiegelbild meiner selbst. In den Texten öffne ich mich ein bisschen mehr, weil die Leute sie lesen können, aber die Musik ist völlig frei für alle Arten von Interpretationen. Während dieser Tournee kamen zwei Paare zu mir, um mir zu sagen, dass sie eines meiner Lieder als Hochzeitslied hatten, und diese Lieder sind schrecklich traurig. Sie handeln nicht von der Liebe oder vom Glücklichsein und die Texte sind sehr direkt darin düster und depressiv zu sein. Aber das zeigt, dass manche Leute meine Lieder hören, um glücklich zu sein, obwohl ich sie geschrieben habe, um traurig zu sein.
SV: Welche Rolle spielt die mentale Gesundheit in diesem Kontext, wenn du sagst, dass die Songs dunkel und düster sind?
Tuomas Saukkonen: Ich glaube, das ist meine Art, meine geistige Gesundheit zu bewahren. Finnische Männer, oder Männer im Allgemeinen, reden nicht wirklich. Es ist ein typisches Merkmal der nordischen Menschen, dass wir uns nicht öffnen. Aber mit der Musik habe ich genau das in den letzten 20 Jahren getan, was bedeutet, dass ich diese Seite von mir ständig verarbeiten kann. Für mich funktioniert das sehr gut!
SV: In unserem letzten Interview hast du gesagt, dass es einen Grund gibt, warum deine Songs so düster sind. Würde es dir etwas ausmachen uns einen Einblick in diesen Grund zu geben?
Tuomas Saukkonen: Ich denke, das ist der Grund dafür, dass ich es für gesund halte, offen für die dunklen Seiten zu sein. Wenn bei dir eine Depression oder etwas anderes diagnostiziert wurde, dann ist das etwas anderes, aber als normaler Mensch solltest du dir deiner dunklen Seite bewusst sein. Jeder hat eine. Sie verschwindet nicht, nur weil man nicht darüber nachdenkt. Jeder von uns hat Ängste und Traurigkeit, mit denen man sich nicht auseinandersetzen will, aber sie sind trotzdem da. Durch die Musik kann ich das wöchentlich verarbeiten.
SV: Bedeutet das, dass sich dein Leben in diesem Bezug verbessert hat, seitdem du dieses Ventil gefunden hast?
Tuomas Saukkonen: Nicht wirklich, denn ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich nicht über diese Möglichkeit verfügte. Ich habe keinen Vergleich. Ich war sieben Jahre alt, als ich mein erstes Lied schrieb und anfing, Gitarre zu spielen. Damals fand ich es super langweilig, die Lieder anderer zu lernen, ich musste einfach verstehen, warum ich einmal in der Woche an diesen Ort gehen und etwas lernen sollte, das jemand anderes geschrieben hatte. Letztendlich hat es einfach mehr Spaß gemacht und war spannender, sich selbst etwas einfallen zu lassen. Nach zwei Monaten Unterricht mussten wir einen Teil eines gelernten Liedes vortragen, damit der Lehrer sehen konnte, wie weit wir waren, und ich hatte meine eigenen Lieder. Na ja, es war nicht wirklich ein Lied, sondern eher die ersten vier Akkorde, die ich beherrschte, aber für mich war es großartig, denn ich hatte etwas Eigenes geschaffen. Im Grunde habe ich schon immer Musik geschrieben, solange ich mich erinnern kann, so dass ich eigentlich keinen Vergleich habe!

SV: Wie hat es sich dann angefühlt, als die Pandemie dir diese Freiheit ein Stück weit genommen hat? Sie war ja auf einmal da und hat Musikern, so wie dir, die Möglichkeit geraubt die Musik zu leben und zu präsentieren
Tuomas Saukkonen: Für mich war es nicht so schlimm. Es gab eine Menge Stress wegen der Organisation hinter den Bands, die nicht gut lief, weil wir kein Geld einnahmen und trotzdem Ausgaben hatten. Ich könnte leicht überleben, ohne Konzerte zu spielen, ich toure bis zu einem gewissen Grad gerne, aber das ist nicht der Grund, warum ich Musik mache. Während der Pandemie habe ich drei Alben gemacht, also konnte ich in Wirklichkeit sogar noch mehr Musik machen. Wenn man auf Tour geht, unterbricht man normalerweise den Schreibprozess und die Studioarbeit komplett. Der Stress war anders, denn er kam eher von der geschäftlichen Seite der Musik als von der Musik selbst. Was das Schreiben von Musik anbelangt, war es eine große Zeit für mich, aber insgesamt eine schreckliche Zeit, um ein Musiker zu sein.
SV: Du hast eben auch von deiner emotionalen Beziehung zur Musik gesprochen. Wie fühlt es sich dann an, diese Songs auf die Bühne zu bringen und eine emotionale Verbindung zu den Leuten herzustellen?
Tuomas Saukkonen: Das versuche ich nicht. Es gibt bestimmte WOLFHEART-Songs, die ich nie auf eine Setlist setzen würde, was einer der Gründe ist, warum ich DAWN OF SOLACE als drittes Projekt habe. Ich muss keine Songs singen und wir spielen sowieso kaum Gigs. Wenn ich die Texte nicht selbst singe, habe ich nicht die gleiche Verbindung zu ihnen. Außerdem spiele ich bei BEFORE THE DAWN Schlagzeug, so dass ich mich weiter vom Rest der Musik distanzieren kann. Wenn es zu persönlich wird, habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass ich etwas über mich selbst erzähle, während ein paar hundert Leute vor mir durchdrehen. Der Kontrast ist einfach zu dumm und furchtbar.
SV: Während dieser Tour spielst du mehr als 20 Shows mit jeder Band, was bedeutet, dass du die doppelte Arbeit hast. Wie ist das bisher für dich gelaufen?
Tuomas Saukkonen: Auf dem Papier war es eine bessere Idee! Was den Zeitplan angeht, ist es perfekt, aber da wir nur einen Techniker dabei haben und wir zwischendrin keine freien Tage haben, fühlt es sich sehr nach Arbeit an.

SV: Wie erschöpft, aber glücklich bist du gerade?
Tuomas Saukkonen: Mehr glücklich als erschöpft! Es ist gut, dass wir dieses Interview vor der Show machen, denn nach der Show wäre ich mehr erschöpft als glücklich! [lacht] Es ändert sich im Laufe des Tages, aber es läuft gut. Am Anfang war ich krank, hatte ziemlich hohes Fieber, und man wird nicht so schnell gesund, wenn man zwei Stunden am Tag trainiert, das war wirklich frustrierend.
SV: Was war die beste Erfahrung auf der Tour bisher?
Tuomas Saukkonen: Es gibt ein paar Dinge, die ich gerne erwähnen möchte: Es ist eine seltsame Tour, denn mit dieser Tour bringe ich BEFORE THE DAWN zurück, die seit 12 oder 13 Jahren nicht mehr auf Tour waren, und das zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Vor allem, weil Pyry, Juho und ich das letzte Mal 2013 zusammen gespielt haben und das war nicht der glücklichste Anlass, denn es war der Abschied von BEFORE THE DAWN. Ich hätte nie gedacht, dass wir jemals wieder auf der gleichen Tour sein würden.
Aber es ist auch die erste Headlinertour für WOLFHEART und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Ticketverkäufe und so weiter. Es war eher eine Entscheidung des Managements, uns jetzt auf diese Tour gehen zu lassen, denn vorher haben wir nur Support-Tourneen gespielt und eine Zeit lang sah es so aus, als würden wir in diesem Schwebezustand festsitzen. Es ist ziemlich schwierig, im Musikgeschäft aufzusteigen, und im Allgemeinen muss man den Promotern und anderen Leuten im Geschäft Zahlen vorlegen. Wenn es nicht deine Headlinertour ist, dann sind das nicht deine Zahlen. Da das Album schon ein Jahr alt ist, wussten wir, dass es auch ein gewisses Risiko birgt. Aber es ist wirklich gut gelaufen!
SV: Du hast BEFORE THE DAWN schon erwähnt, aber ich denke, dass HINAYANA das Line-Up auch sehr gut komplettieren! Wie war die Atmosphäre bisher? Seid ihr glücklich gerade die Tour durch Europa zu machen?
Tuomas Saukkonen: Einer der Gründe, warum wir HINAYANA gebeten haben, mitzukommen, war, dass wir nur gute Leute wollten! Wir haben unsere letzte Europatournee mit ihnen als Opener bestritten und wir haben zweimal in Nordamerika gespielt, wo sie ebenfalls als Opener auftraten. Wir kannten sie also schon recht gut. Die Chemie kann ziemlich schwierig sein, und es braucht nur eine komplizierte Person, damit alles auseinanderfällt. Ich und einige der anderen Jungs werden zu alt, um so flexibel zu sein. Man will einfach nur gute Leute um sich haben, die mehr positive Energie erzeugen, anstatt zu versuchen, ein Arschloch zu tolerieren.
SV: Was ist das Beste für Fans an der Tour aus musikalischer Sicht?
Tuomas Saukkonen: Das ist schwierig, weil wir so ein diverses Publikum haben! Ich erkenne Menschen von BEFORE THE DAWN-Shows von vor 15 Jahren, aber ich sehe auch sehr junge Menschen mit WOLFHEART-Shirts, die BEFORE THE DAWN-Songs singen, die 20 Jahre alt singen. Ich denke, wenn man mir und meiner Musik folgt, dann ist es wie ein Best Of der letzten 20 Jahre.

SV: Das fühle ich sehr, weil ich BEFORE THE DAWN Ende 2014 mit etwa 17 or 18 Jahren entdeckt habe und ich war so enttäuscht, dass es euch nicht mehr gab und ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich etwas wie das hier jemals erleben würde. Aber schau uns nur an! Es ist wirklich ein Full-Circle-Moment, zumindest für mich!
Tuomas Saukkonen: Manchmal spielt das Leben eben so! Das BEFORE THE DAWN Comeback war das Beste an der Pandemie und gleichzeitig war die Pandemie der Hauptgrund, warum BEFORE THE DAWN überhaupt zurückkam.
SV: Ihr habt ja auch einen neuen Sänger. Ich freue mich sehr darauf ihn zu hören, ich habe über seine Auftritte bisher nur Gutes gehört!
Tuomas Saukkonen: Ich weiß nicht, ob das heute Abend bei dir der Fall sein wird, denn viele Leute waren sehr besorgt, als sie ihn zum ersten Mal gehört haben, denn jeder wollte, dass ein bestimmtes Line-up zurückkommt, mit Lars als Sänger, aber er hat sich schon vor langer Zeit aus der Band zurückgezogen. Das war nie eine Option. Die Leute waren so besorgt, dass sie mir Mails und Nachrichten schickten, dass ich die Entscheidung noch einmal überdenken solle und dass dies nicht die BEFORE THE DAWN seien, die sie kennen. In Wirklichkeit ist BEFORE THE DAWN das, was wir sagen, dass es das ist, und es ist keine offene Diskussion. Das merkt man auch im Publikum: Während des ersten Liedes sind sie ziemlich skeptisch und wenn sie Paavo singen hören, vor allem bei den älteren Liedern, ändert sich die Stimmung komplett.
SV: Ich persönlich mag die alten Sachen sehr, vor allem, weil Deathstar Rising meinen persönlichen Musikgeschmack und meine Karriere so stark beeinflusst hat, aber wenn ich mir die neueren Sachen anhöre, denke ich nicht, dass die Essenz verloren gegangen ist. Es ist ein anderer Stil, aber für mich geht es dabei mehr um das Gefühl. Es wird das erste Mal sein, dass ich ihn live sehe, also werden wir es sehen. Aber wie immer im Leben wächst man und verändert sich, und die Musik sollte das widerspiegeln. Meiner Meinung nach ist das also der richtige Weg! Im Grunde genommen bin ich aufgeschlossen! [wir lachen]
Aber jetzt, wo wir hier sind und uns während dieser Tournee treffen, was wünscht du dir für die Zukunft beider Bands?
Tuomas Saukkonen: Ich würde mir wünschen, dass diese Art von Atmosphäre bestehen bleibt, in der sich alle mit dem, was wir tun, wohlfühlen. Ich habe den Unterschied vor zwei Jahren gesehen. Es war wahrscheinlich für alle anderen frustrierender als für mich, denn ich konnte einfach ins Studio gehen und Musik schreiben, ich hatte dieses Ventil ständig, da ich der Hauptsongwriter für beide Bands bin. Die Auftritte sind das, was die anderen Jungs von diesem ganzen Paket haben. Als das wegfiel, gab es eine Menge Unzufriedenheit, Stress und Frustration. Deshalb möchte ich, dass diese Art von Stimmung, die wir jetzt haben, anhält, egal was passiert. Wir hielten es für selbstverständlich, dass wir das tun konnten, was wir lieben. Und das liegt nicht nur an der Pandemie, sondern auch an allem anderen, was gerade passiert.
Das war ein wirklich gutes Schlusswort! Ich bin Tuomas unheimlich dankbar, dass er sich erneut die Zeit genommen hat, um meine Fragen so ausführlich zu beantworten. Denkt dran, all seine Bands abzuchecken, es lohnt sich!
Auch wenn für mich in diesem Jahr noch ein letztes Konzert in diesem Jahr ansteht, werdet ihr den dazugehörigen Content nicht sehen, bevor wir schon ein paar Tage von 2024 gesehen haben! Passt auf euch auf und denkt dran: Wenn ihr meinen Content mögt, liked, teilt und kommentiert ihn auf Social Media. Und wenn er euch nicht gefällt, empfiehlt ihn doch einfach einer Person, die ihr nicht leiden könnt und lasst sie leiden!


1 Kommentar zu „Einblicke in Tuomas Saukkonens Musik: Ein Interview“