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In der Musikgeschichte gibt es immer wieder ein paar Alben, die auf ihre ganz eigene Art und Weise genreprägend werden. AMORPHIS können davon wortwörtlich ein Lied singen, denn ihr zweites Album, Tales from the Thousand Lakes, ist genau so ein Album. Auf dem Album verstand es die Band Melodic Death Metal mit Einflüssen aus dem Gothic Metal und Death-Doom zu verweben und so das Konzept, das sich im Kern um das finnische Nationalepos Kalevala drehte, auf gekonnte Weise umzusetzen. Heute, 30 Jahre später, ist der Bann dieses Albums, zumindest für mich, ungebrochen und AMORPHIS haben eine Live-Variante, Live At Tavastia, veröffentlicht. Grund genug also, um Gitarrist Tomi Koivusaari zu dem Album und dessen Einfluss zu befragen!
Danke auch an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder!

Shieldmaiden’s Voice: Wenn du dich 30 Jahre zurück erinnerst, als Tales from the Thousand Lakes erstmals veröffentlicht wurde, hättest du damals gedacht, dass euch dieses Album so weit bringen würde?
Tomi K.: Nein, auf keinen Fall! Wir haben damals gedacht, dass man mit 30 Jahren enorm alt ist als Metal Musiker, weil wir selbst sehr jung waren. Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass wir das hier 30 Jahre später noch immer machen würden. Vor allem auch, weil wir uns nicht vorstellen konnten, was die Leute über dieses Album denken würden. Es war eine schöne Überraschung, dass es so ein Klassiker geworden ist.
SV: Welche Rolle hat dieses Album in eurer künstlerischen Karriere wie auch für euer persönliches Fortkommen gespielt?
Tomi K.: Tales from the Thousand Lakes war für uns eines der wichtigsten Alben überhaupt weil es uns die Welt geöffnet hat. Mit diesem Album haben wir angefangen weltweit zu touren und wir haben auf eine gewisse Weise unseren persönlichen Stil gefunden. Wir haben eine Balance aus melodischen Parts und Folk-Elementen gefunden. Ähnliches gilt für die Lyrics.
SV: Am 12.07. ist ja die Live at Tavastia Version veröffentlicht worden, für die ihr Tales from the Thousand Lakes in einem Live-Setting neu aufgenommen habt. Wie hat es sich angefühlt die Songs als Ganzes nochmal in dieser Form nach all den Jahren zu spielen?
Tomi K.: Wir haben ja hier und da Songs aus Tales from the Thousand Lakes gespielt und auch wenn wir einige Songs lange nicht gespielt haben, sind sie doch im Gedächtnis verankert. Wir mussten nicht allzu viel proben. Die größte Hürde war sicherlich im leeren Tavastia Club zu spielen, weil wir es zu Corona Zeiten aufgenommen haben und kein Publikum haben durften. Es hat sich einfach sehr gut angefühlt, all diese Songs mal wieder zu spielen, weil die kleine Tales from the Thousand Lakes, die wir mal gemacht haben, mittlerweile auch schon 10 Jahre her ist.
SV: Was hat sich an AMORPHIS über die letzten 30 Jahre seit dem Release von Tales from the Thousand Lakes am meisten verändert?
Tomi K.: Wir sind natürlich älter geworden! Wir haben mehr Erfahrung und sind wesentlich professioneller als wir damals waren. Wie ich schon erwähnt habe, waren wir sehr jung als Tales from the Thousand Lakes herauskam und die ganze Albumproduktion hat nur 10 Tage gedauert und da war das Mixing schon mit drin! Wir hatten auch kaum Studioerfahrung! Heutzutage machen wir alles etwas detaillierter. [Wir lachen]

SV: Was gefällt dir an der neuen Live-Version am Besten?
Tomi K.: Es wäre ja etwas komisch, wenn man eine neue Studio version machen würde, weil man nie das ursprüngliche Gefühl, das man bei der ersten Veröffentlichung hatten, wiederherstellen kann. Die einzige Lösung, wenn man etwas mit dem Album machen will, ist eine Live-Version zu machen. Man nimmt also das ursprüngliche Material und verpackt es in den Sound, den die Band heute hat.
SV: Ich finde es interessant, dass ich dir all diese Fragen zu Tales from the Thousand Lakes stelle, denn als das Album herauskam, war ich noch gar nicht auf der Welt. [Wir lachen] Trotz dessen ist es so ein großer Teil meiner persönlichen musikalischen Entwicklung ist und es ist in der Live-Version schön zu sehen, wie wohl ihr euch nach wie vor mit dem Material fühlt.
Tomi K.: Oh ja, das ist sozusagen das Muskelgedächtnis! Wir haben es nie wirklich vergessen!
SV: Würdest du aus dem Grund sagen, dass die neue Version ein Must-Have für Metal-Fans ist?
Tomi K.: Es ist wahrscheinlich ein Must-Have für die Fans, die unsere älteren Alben noch nicht so wahrgenommen haben. Wir haben einige Fans, die angefangen haben uns zu hören als Tomi Joutsen zur Band kam und für diese Leute ist es perfekt. Sie bekommen die alten Songs mit seiner Stimme und das bringt sie vielleicht den älteren Songs näher.

SV: Ist das deine Art uns zu sagen, dass wir neue Versionen für die Alben bekommen werden, die erschienen sind, bevor Tomi zur Band kam?
Tomi K.: Ich denke nicht, es sind einfach zu viele Alben bei zu wenig Zeit, um sie alle neu aufzunehmen.
SV: Ihr könntet ja auch Unplugged Versionen machen, das würde mir gefallen! Oder ihr macht es noch größer und nehmt ein ganzes Orchester dazu!
Tomi K.: Darüber haben wir tatsächlich schon nachgedacht, weil wir ähnliche Projekte schon umgesetzt haben, aber das ganze Tales from the Thousand Lakes Album als Akustik Variante wäre sehr schwierig. Insgesamt aber eine coole Idee!
SV: Wenn du in die Zukunft schaust, was hoffst du für AMORPHIS?
Tomi K.: Ich hoffe, dass wir gesund bleiben und weiterhin tun, was wir tun. Wir haben noch immer einen guten Spirit in der Band und denken nicht mal im Traum daran bald aufzuhören. Ich denke, wir werden so lang wie möglich weitermachen. Ich freue mich sehr darauf, Ende des Jahres ins Studio zu gehen und ein neues Album zu machen.
SV: Die letzten drei Alben gehören ja zusammen, zumindest für mich. Wird es dann eher ein vierter Teil oder fangt ihr etwas neues an?
Tomi K.: Ich denke, es wird Teil eines neuen Kontextes. Ich mag es, all unsere Alben als Dreiersets zu begreifen. Dieses Mal wird es wieder eine leicht neue Richtung.

SV: Cool! Darauf freue ich mich! Was ist etwas, was du schon immer mal in einem Interview gefragt werden wolltest, aber noch nie gefragt wurdest?
Tomi K.: Mhm.. das ist eine schwierige Frage… Ich wurde noch nie gefragt, was meine Lieblingsfarbe ist…
SV: Was ist denn deine Lieblingsfarbe?
Tomi K.: Blau! Oder Schwarz…
SV: Ich denke, dass es sehr bezeichnend ist, dass du „Blau“ gesagt hast, denn das ist die Farbe, die ich mit Finnland assoziiere, wegen der tollen Seen und des wundervollen Himmels… Würdest du sagen, dass dein musikalischer Stil durch das Aufwachsen in so einer Umgebung beeinflusst wurde?
Tomi K.: Da bin ich mir nicht sicher, denn als wir angefangen haben Musik zu hören, waren es Bands wie IRON MAIDEN, SLAYER, PINK FLOYD und vergleichbare Bands und die finnischen Bands kamen später erst dazu. Da kommen die Folk Elemente her, aber selbst da war es ohnehin ein globales Ding. Natürlich wird man von den Sachen beeinflusst, die man als Kind gehört hat, so hat meine Mutter beispielsweise immer ABBA gehört.
SV: Welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich geben, aber auch jungen Musikern, die gerade erst anfangen und dich als Vorbild nehmen?
Tomi K.: Macht euer eigenes Ding. Versucht nicht andere zu kopieren. Man kann sich immer beeinflussen lassen, aber macht etwas aus den Einflüssen, das ihr mögt oder liebt, denn dann habt ihr eine größere Chance, dass es jemand anders, außer euch, auch lieben wird.
SV: Nun zu meiner letzten Frage: Wenn du deinen Fans eine Message geben könntest, welche wäre es?
Tomi K.: Stoppt Kriege, macht Liebe! [Wir lachen]
So, das war es auch schon mit dem zweiten Rockharz-Interview. Aber keine Sorge: Es kommen noch einige mehr! Seid gespannt auf eine Band, die in vielerlei Hinsicht einzigartig ist und ebenso mitreißende Musik macht.


1 Kommentar zu „Ein Hauch von Vergangenheit im Jetzt – AMORPHIS’ Tomi K. über Tales und dessen Einfluss“