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Vergesst nicht, auch die Tagesberichte zum Rockharz 2024 zu lesen: Tag 1, Tag 2, Tag 3 und Tag 4.
Es ist immer eine große Ehre und Freude, all diese Interviews zu führen. Die Erfahrung wird jedoch noch dadurch gesteigert, dass ich etwas mehr eigenes Wissen in das Interview einbringen kann. Wenn ich nicht gerade an diesem Blog arbeite, studiere ich ja Jura und beschäftige mich insbesondere mit den Herausforderungen und Chancen, die KI mit sich bringt. Brittney Slayes, die charismatische Sängerin von UNLEASH THE ARCHERS, über ihr Album Phantoma zu interviewen, in dem es um eine KI geht, die ein Bewusstsein erlangt, war daher einfach unfassbar! Aber lest selbst!
Vielen Dank auch wieder an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder!

Shieldmaiden’s Voice: Beschreibt euren Musikstil in drei Worten!
Brittney Slayes: Oh mein Gott… Lustig, abenteuerlich und eingängig!
SV: Was würdest du sagen, ist die größte Stärke eurer Musik?
Brittney: Ich nehme an, dass sie für viele Leute sehr leicht zu verstehen ist. Oftmals hören sie die Musik und können etwas von sich selbst darin wiederfinden. Sie bringt vielleicht eine Erinnerung zurück oder erinnert sie an einen geliebten Menschen, den sie verloren haben, und so weiter. Sie können sich in den Geschichten, die wir erzählen, wiederfinden.
SV: Das ist ein richtig toller Gedanke! Was sind denn die Themen, die ihr den Zuhörern vielleicht in diesem Zusammenhang vermitteln wollt?
Brittney: „An sich selbst glauben“ ist ein großes Thema! Es ist mir wirklich wichtig, dass jeder merkt, dass er nicht alleine auf der Welt ist, dass wir alle durch Schwierigkeiten gehen und dass wir sie gemeinsam teilen können, unabhängig von der eigenen Geschichte oder was auch immer es ist, das passiert. Musik und insbesondere Heavy Metal bringen uns zusammen. Es geht darum, sich selbst zu lieben und an sich zu glauben und andere auf ihrem Weg zu unterstützen, dies ebenfalls zu tun.
SV: Wie macht sich das in eurem neuen Album Phantoma bemerkbar?
Brittney: Nun, es ist ein bisschen düsterer als die anderen [sie lacht]. Ich habe es während der Pandemie geschrieben, also in dunkleren Zeiten. Ich habe das Gefühl, dass es Momente gibt, in denen man die gleichen Emotionen wie Phantoma fühlen kann, wenn es um bestimmte Punkte in der Geschichte geht. Das Glücksgefühl, sich selbst zu finden, ihr Bewusstsein, und dann die Aufregung, sich in die Welt hinaus zu wagen und neue Dinge zu sehen und schließlich Menschen zu treffen, andere Roboter und empfindungsfähige KI und solche Dinge. Es ist wirklich die Aufregung, hinauszugehen und herauszufinden, wer wir wirklich sind und unseren Weg zu gehen. Give it up or Give it all ist wirklich einer meiner Lieblingssongs auf dem Album, weil es der Moment ist, in dem Phantoma sagt: „Ok, ich muss mich wirklich so akzeptieren, wie ich bin, und entscheiden, was ich hier tun werde!“ Ich denke, wir alle haben diesen Moment in unserem Leben, in dem wir erkennen, dass etwas vielleicht nicht funktioniert hat, aber das ist in Ordnung. Es geht darum zu erkennen, dass es keine Erwartungen gibt, die man erfüllen sollte, sondern nur die eigenen. Ich habe einfach versucht, Phantoma, dem Charakter, diesen Geist des Aushaltens so weit wie möglich durch die Texte einzuflößen, und das wurde zum emotionalen Ton des Albums.
SV: Es hat auch eine fast schon unheimliche Ähnlichkeit mit der persönlichen, beinahe spirituellen Reise, die die meisten Menschen während der Pandemie durchgemacht haben. Für viele Menschen war es wahrscheinlich das erste Mal, dass sie über einen längeren Zeitraum mit sich selbst konfrontiert wurden.
Brittney: Auf jeden Fall! Wenn man nicht weiß, wie man sich selbst liebt und diese Zeit mit sich selbst verbringt, muss man sehr schnell lernen. Ein großer Teil der Geschichte bestand darin, zu erkennen, dass es nicht wichtig ist, was die Menschen von Phantoma denken, es ist nicht einmal wichtig, was die Roboter von ihr denken. Es geht darum, dass sie sich selbst akzeptiert, und am Ende der Geschichte gibt es den Moment, in dem sie erkennt: „Ich habe es geschafft! Ich bin vielleicht nicht die Person, für die ich mich am Anfang gehalten habe, aber ich komme damit klar!“

SV: Was ich auch sehr interessant fand, war das Video zu Green & Glass, in dem ihr KI-Video-Technik verwendet habt. Generell ist KI ja ein ganz heiß diskutiertes Thema. Wie war die Rückmeldung zu diesem speziellen Video?
Brittney: Oh, es war schrecklich! [Wir lachen] Wir sahen uns mit einer Menge wütender Menschen und einem riesigen negativen Aufschrei konfrontiert. Ich verstehe vollkommen, woher sie kommen, und KI ist ein beängstigendes Thema. Für viele Menschen bedeutet KI das Ende vieler Berufe. Der Hauptaspekt, über den sich die Leute aufgeregt haben, war die künstlerische Seite des Ganzen. Obwohl wir die Kunstwerke, mit denen das Modell trainiert wurde, lizenziert hatten, wurde ein Programm verwendet, das dies nicht tat. Die Leute wiesen darauf hin, dass dieses Programm die Leute bestiehlt, was wir damals nicht wussten. Das war der Grund, warum wir überhaupt für das Bildmaterial bezahlt haben, denn wir wollten sichergehen, dass wir uns ausreichend absichern.Letzten Endes war es egal, denn der Zustand der KI ist im Moment der Wilde Westen. All diese Unternehmen, wie OpenAI, machen einfach, was sie wollen, weil es keinerlei Vorschriften gibt. Das war der Teil, mit dem wir nicht vertraut waren. Es ging nie darum, KI einzusetzen, weil sie die Zukunft ist oder so, sondern vielmehr darum, dass es in dem Album um eine KI geht, einen Androiden, der Gefühle entwickelt, und wir wollten KI einsetzen, wo wir konnten. Wir dachten zu keinem Zeitpunkt, dass es die Art und Weise, wie wir Dinge tun, ersetzen würde. Es war einfach eine lustige Art, uns als Künstler auszudrücken. Wir würden nie und nimmer der Kunstszene schaden wollen, weil sie uns genauso unterstützt wie wir sie. Es war eine Art herzzerreißender Moment… Diejenigen, die sich mit der ganzen Sache befasst haben, haben verstanden, was wir wollten, aber am Ende gab es eine Menge Leute, die uns einfach abgeschrieben haben, was wirklich traurig war.
SV: Für mich war es faszinierend, weil ich Jura mit Schwerpunkt Internationales und Transeuropäisches Recht studiere und mich besonders für das Recht des geistigen Eigentums interessiere, und KI ist für mich schon seit einiger Zeit ein großes Thema. Als ich das Video zum ersten Mal sah, hatte ich all die Reaktionen, die du gerade beschrieben hast, aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr war ich davon fasziniert. Ihr habt wirklich gezeigt, dass ihr diese Technik nutzen könnt, um euch selbst auf eurer künstlerischen Reise zu helfen. Viele Leute vernachlässigen diesen speziellen Gedankengang.
Brittney: Ja, genau! In der Sekunde, in der die Leute „KI“ hören, denken sie, es sei etwas Böses.
SV: Es ist so umstritten und viele Leute sprechen darüber! Sie sehen den Niedergang einer Gemeinschaft, die sowieso oft nicht genug für ihre Kunst bezahlt wird
Brittney: Auf jeden Fall! Es ist eine harte Welt! Wenn man Dinge sieht und denkt: „Oh, das wird mich ersetzen!“, was meiner Meinung nach nicht passieren wird, bekommen sie Angst. Ich glaube aber auch, dass diese ganze KI-Sache im Moment eine Modeerscheinung ist und wir sie hinter uns lassen werden. Wir werden sagen: „Nein, von Menschen geschaffene Kunst ist besser!“ Und Musik, die von Menschen gemacht wird… das hat einfach etwas. Es ist einfacher, sich damit zu verbinden!

SV: Es gibt diese Software namens Holly+. Sie stammt von einer Künstlerin namens Holly Herndon, und sie hat eine Emulation ihrer Stimme erstellt, die von anderen benutzt werden kann. Wenn man eine Sängerin braucht, kann man ihre Software kostenlos benutzen und ihre Stimme in Lieder einbauen. Dadurch wird sie gewissermaßen unsterblich! Das hat auch eurem Thema KI zu tun! Dieses empfindungsfähige Wesen ist ohnehin unsterblich, und sich mit dieser Art von Technologie unsterblich zu machen, ist faszinierend. Und das habt ihr auch gemacht! Das Album wird auf jeden Fall bestehen bleiben, aber durch die Kontroverse um das Video werden die Leute immer sagen: „Oh, erinnerst du dich an die Sache mit UNLEASH THE ARCHERS?“
Brittney: Ich hoffe, dass es in fünf Jahren genauso sein wird! Wie „Erinnerst du dich an die Sache, die eine große Sache war und jetzt nicht mehr?“, aber wer weiß? [wir lachen]
SV: Es ist wahrscheinlich ein bisschen wie bei der Dot-Com-Blase, die irgendwann platzen wird und hoffentlich bleiben die guten Dinge! Aber das wird sich noch zeigen! Apropos Zukunft: Was wünschst du dir für deine musikalische Zukunft?
Brittney: Es ist so lustig, weil jeder immer fragt, was unser Plan ist und worauf wir hinarbeiten, aber es ist immer nur ein „Nimm es Tag für Tag“ Ding. Ich weiß nicht… Mehr Alben sind wahrscheinlich der richtige Weg… [wir lachen] Ich will einfach weiter Musik machen bis zu dem Tag, an dem ich sterbe! Das ist wirklich alles, woran ich im Moment denken kann, denn das Beste ist, neue Musik zu schreiben und sie mit allen zu teilen! Ich hoffe nur, dass mein Körper mit allem mithalten kann und dass dieses kreative Feuer nie erlischt!
SV: Dann lass es mich vielleicht anders formulieren: Was ist etwas, wofür du besonders in Erinnerung bleiben möchtest?
Brittney: Vielleicht, dass ich als Frau im Power Metal eine Pionierin bin. Als wir anfingen, gab es so etwas einfach nicht. Jemand zu sein, zu dem andere Frauen aufschauen können, wenn es darum geht, in Genres einzusteigen, in denen es nicht so viele Frauen gibt. Oder einfach die Geduld, die Ausdauer und die Bereitschaft zu haben, in neue Bereiche vorzudringen, auch wenn man etwas sehr Schwieriges macht oder ein Musikgenre spielt, für das man verurteilt wird. Ich hoffe, dass ich ein Vorbild für die zukünftigen Sängerinnen sein kann.
SV: Epische Dinge sind nie einfach, wenn es nicht ein bisschen Reibung gibt, macht man es nicht richtig! Welchen Rat würdet ihr eurem jüngeren Ich oder jemandem geben, der gerade mit der Musik anfängt?
Brittney: Zieh nach Europa oder Schweden oder so. Es war wirklich schwer, aus Kanada herauszukommen, weil es dort ein ziemlich geschlossenes System ist. Außerdem solltest du dein Geld sparen, denn du wirst es brauchen! Du musst nur wissen, dass sich die harte Arbeit auszahlen wird und dass du dranbleiben musst! Es wird Momente geben, in denen man an sich selbst zweifelt, in denen man fast aufgibt, aber ich bin froh, dass wir es nicht getan haben! Wir waren ein paar Mal kurz davor… Nimm es Tag für Tag, du wirst es schaffen!
Ehrlich gesagt, es war so schön, mit Brittney über diese Themen zu sprechen! Das wird mir wahrscheinlich noch lange in Erinnerung bleiben.
Als Nächstes geht es zurück nach Europa zu einer Band, von der wir seit Jahren große Fans sind! Bleibt dran!


1 Kommentar zu „Die Ära der KI – Ein Interview mit Brittney Slayes von UNLEASH THE ARCHERS“