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Kennt ihr das, wenn ihr von einem Konzert oder Festival kommt und einfach alles dafür geben würdet, um die Zeit zurückzudrehen und es nochmal (bzw. immer wieder) zu erleben? Das ist das, was ich „Festival Hangover“ nenne. Auf eine gewisse Art und Weise geht es einem schon schlecht, aber das war es verdammt nochmal wert!
Wovon der Tag geprägt war, was uns extrem berührt hat, was ich mir gewünscht hätte und was komplett unerwartet war, das lest ihr weiter unten im Beitrag, der der wohl längste Tagesbericht von einem Festival ist, den ich je geschrieben habe…
Vielen Dank auch an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder! Du bist die Beste ❤

First Things First
Tag 2 begann für uns gefühlt frühmorgens gegen 13:00. Wir hatten im Programm „Schaukampf der Wikinger“ gelesen und das war dann schon ein Grund, um früh auf dem Festival zu sein. Ich persönlich habe so gut wie keine Ahnung, wie die Wikinger kämpften, was sie an Waffen benutzten, geschweige denn, wie sie sie einsetzten. Der Schaukampf war also die passende Gelegenheit, um mal zu sehen, was da eigentlich so ging! Durch die Hitze war der Kampf jetzt nicht so furios, wie ich dachte, aber der etwas gedämpftere Ansatz hatte zur Folge, dass auch die Festivalgäste ein bisschen mitmachen konnten! Das fand ich persönlich sogar fast noch besser. Einzig die Frage, warum eine gusseiserne Bratpfanne zum Waffenarsenal zählte, musste offenbleiben…
Insgesamt gab es auf dem Festival, abseits der Musik sehr viel zu entdecken. So gab es eine Art Heerlager und das heidnische Dorf, wo traditionelle Handwerkskunst bestaunt und erworben werden konnte. Selbst ein Tätowierer war vor Ort und hatte eine wundervolle Auswahl an Wikiger-Tattoo-Motiven im Gepäck, die mittels Handpoke-Methode unter die Haut der willigen FestivalbesucherInnen gebracht wurde. Auch konnten Teams sich bei den Viking Games in verschiedenen Disziplinen messen.
Zu meinem großen Bedauern haben wir es leider nicht auf die dort vorhandene Sommerrodelbahn geschafft! Das hatte ich mir eigentlich festgenommen, aber die Bands waren an der Stelle einfach wichtiger. Sollten wir im nächsten Jahr wiederkommen, muss ich es noch fester in unseren Plan eintakten! Zu meiner Errettung muss ich aber auch sagen, dass ich mir nicht sicher bin, wo der Weg zu Rodelbahn gewesen wäre… Vielleicht kann man das in Zukunft etwas genauer ausschildern!

An dieser Stelle vielleicht noch ein paar Worte zum Infield: Ich empfand das als von der Idee her sehr gut überlegt! Im Eingangsbereich gab ein paar Optionen für warmes Essen, und auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich dann ein paar Verkaufsstände für Metal-Gegenstände, wie etwa Patches. Da ich da aber keinen Bedarf an solchen Dingen habe, habe ich mich da nicht genauer umgeschaut.
Vorbei an diesen Ständen ging es rechter Hand dann hoch zu einem hölzernen Thron, der ein willkommener Fotospot war und den wir auch genutzt haben! Daran vorbei kam man dann zu den Bierzeltgarnituren, auf denen man sitzend das Geschehen auf der etwas unterhalb liegenden Bühne verfolgen konnte. Am Ende dieses „Gangs“ auf der Anhöhe befand sich dann der Bandmerchverkauf und der Signierstundenstand.
Ging man nicht auf diese Anhöhe, sondern ging rechts, unterhalb des Throns, entlang, kam man zu zwei Getränkeständen, dem Festivalmerchstand und der Bühne. Die Idee, den Festival- vom Bandmerch zu trennen, fand ich herausragend! Das hat so viel Druck und Anstehzeiten verhindert! An beiden Ständen hab ich nicht länger als fünf Minuten gewartet und ich hab auch immer alles bekommen, was ich haben wollte.
Das Einzige, was ich ändern würde, wäre, dass man die Signierstunden räumlich vom Bandmerchverkauf trennt. Durch den Umstand, dass man es da keine richtigen Strukturen zum Anstehen gab, standen mit einem Mal die Leute völlig wahllos vor dem Stand. Es war stellenweise auch nicht ersichtlich, ob sie nun Bandmerch haben oder sich etwas signieren lassen wollten. Da hinter dem Bandmerch ein Bereich war, wo man mit dem Auto hinfahren konnte, würde ich den Verkauf dort auch belassen. Das verhindert das unnötige Schleppen von schweren Kisten. Aber es ist vielleicht eine Idee die Signierstunden in den vorderen Bereich des Infields zu legen. Da ist noch Platz für einen weiteren Stand, man kann die Menschen gut in eine Schlange sortieren und durch das Anstehen weiter vorne versperren die wartenden Autogrammjäger auch den weiteren Zuschauern nicht die Sicht auf die Bühne. Es hätte auch den Vorteil, dass man die Menschenmenge auch etwas entzerren kann und sich nicht so viele Menschen auf engem Raum drängen müssen. Die Metalszene ist ja so entspannt, dass die Bands gut durch das Infield zum Stand laufen können ohne signifikant belästigt zu werden. Alternativ könnte man sicherlich kurz den Bauzaun öffnen.

Bevor wir zur Musik kommen, möchte ich einen besonderen Shout-Out an die Jungs richten, die sich uns mit den Worten „Habt ihr Bock auf Meerrettich??“ in den Weg gestellt haben! Anscheinend waren die Pflanzen, die unterhalb des Throns wuchsen wilder Meerrettich. Ob das so war oder nicht, kann ich nicht sagen, aber es zeugt doch von wahrem Mut (oder wahrer Alkoholintoxikation), wenn man sich auf einem Festival random eine Pflanze pflückt und die dann isst. Ich hoffe, euch gehts gut!
Balsam für die Seele
Musikalisch ging es an diesem Tag los mit den Viking Deathern von SKELFIR. Wir hatten sie ja letztes Jahr schon beim Helmfest erlebt. Ich war schon sehr froh, dass die Band, mit Ausnahme des Sängers, keine Bandshirts trug, wie sie das letztes Jahr gemacht haben. Aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass der Sänger sich so in Schale wirft und der Rest der Band da so statistenhaft dahinter steht. Man sollte als Band da schon eine gemeinsame Front bilden! Musikalisch war der Auftritt gut und ein würdiger Auftakt zum zweiten Festivaltag.
Die zweite Band des Tages waren WELTENBRANDT und da fehlen mir wirklich die Worte, um das angemessen zu beschreiben, was wir da hören durften. Stilistisch bewegt man sich hier im Post Black Metal, die Musik ist also von klassischen Black Metal Elementen, wie auch modernen Einflüssen (orchestrale Parts, eingängige Melodien, etc) geprägt. Ich lüge nicht, wenn ich sage, wie froh ich bin, dass diese Band mich gefunden hat, denn ich hätte mich auf ewig geärgert, wenn wir das verpasst hätten!
Das Set, das auch gleichzeitig eine Art Releaseshow für das neue Album Transzendenz Schatten Romantik war, war durchsetzt von einfühlsamem Songwriting, das auf garstige Vocals und brutale Gitarren traf. Getreu dem Bandnamen, hat die Band dem Publikum emotionale Welten aufgetan, nur um sie dann musikalisch in Brand zu setzen. Aus dieser Asche der Vergängnis entstiegen dann Energien, die uns eine konstante Gänsehaut bescherten. Es ist kurios, denn auch wenn das jetzt alles sehr pathetisch klingen mag, fängt es nur einen Bruchteil dessen ein, was dieser Auftritt mit mir gemacht hat… Einfach eine krasse Erfahrung!

Wenn die Band sich jetzt ihrer Wucht noch etwas bewusster wird und sich auf dieser Ebene mehr mit dem Publikum verbinden kann, dann ist es wahrlich perfekt. In der Rückschau ist mir bei den Videos, die ich gemacht habe, allerdings aufgefallen, dass bei mir in der ersten Reihe der Bass stellenweise sehr laut war. Das kann man zukünftig vielleicht noch ausbessern.
Ich möchte aber all jenen, die Bands, wie HARAKIRI FOR THE SKY, KARG, GROZA oder ELLENDE mögen, das aktuelle Album enorm ans Herz legen. Songs wie Resilienz, Prana oder Melancholia Urgewalt haben mich sehr abgeholt und alle vorgenannten Bands sind auch mit Features auf dem Album vertreten.
Ich war nach dem Set auch enorm überrascht, wie ausgelaugt ich dann war. Aber gut, Emotionen sind ja auch anstrengend, aber MUNARHEIM waren ein guter Stimmungsaufheller. Wobei manche Leute „Black Symphonic Folk Metal“ vielleicht nicht in diese Kategorie einordnen würden. Ist mir an der Stelle auch ein bisschen egal, denn die Musik war genau das, was ich danach brauchte, vor allem auch in Kombination mit einer Portion Pommes.
An dieser Stelle auch Props an die Planung, die die Bands hier auf eine gute Art und Weise zusammengestellt hat!
DRUDENSANG haben wir dann wegen eines Interviews verpasst, sodass unser nächster Punkt dann NACHTBLUT waren. Während dieses Sets kam das auf, was man in der Metalszene als „Partystimmung“ bezeichnet. Gemessen an der Reaktion des Publikums waren viele für diese Band auf das Infield geströmt. NACHTBLUT haben es verstanden, das für sich auf eine abgeklärte, distanzierte Art und Weise zu nutzen und die Stimmung weiter anzuheizen.

Ich persönlich war etwas desillusioniert vom Song Frauenausbeiner. Der Song von dem Album Apostasie hat eine rockige AC/DC-Komponente, die wirklich viel Stimmung mit sich bringt. Inhaltlich schlug es mir aber bitter auf, dass man sich einer (fiktive) Figur bedient, die Frauen als Objekte zur eigenen Lustbefriedigung benutzt und sie dann ermordet. Ich gehe nicht davon aus, dass die Band ernsthaft so über Frauen denkt. Im Lichte der ganzen Me Too und Row Zero Debatten wäre es doch aber angezeigt hier nochmal in sich zu gehen und vielleicht den Song auf seine Passigkeit zu überprüfen. Die Diskografie der Band gibt auch genug Material her, um hier auch einen Austausch gut vornehmen zu können!
Man weiß, dass richtig böse Musik kommt, wenn umgedrehte Kreuze auf die Bühne gefahren werden. Es war an der Zeit für DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT. Die deutsch-polnische Band spielen Black Metal in seiner Rohform, allerdings zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie eine Sängerin haben. Ich muss ehrlich sagen, dass dieser ursprüngliche, satanische Black Metal so gar nicht meins ist… Von daher war das jetzt nicht meine Band, aber man muss ihnen zumindest lassen, dass sie ihre Linie stringent durchziehen!
Nachdem es am ersten Festivaltag bereits das Akustik-Set gab, durfte an Tag 2 natürlich der „reguläre“ Auftritt von VARG nicht fehlen. Dass uns hier der Heimspiel-Gig erwartet, war spätestens dann klar, als die Flammen getestet wurden! Feuer ist immer eine Ansage, wie ich finde, weil man als Band schlichtweg heißer spielen muss als das Feuer. Und Leute, was soll ich sagen? Da haben VARG mal richtig einen rausgehauen! Getreu dem Motto „Hier bin ich zuhause, hier rock ich ab!“ war da einfach so viel Kraft und Energie in der Musik! So habe ich sie echt noch nicht erlebt. Es war auch krass, dass Sängerin Fylgja trotz 39°C Fieber in der Vornacht den Auftritt wahrgenommen hat! Auf der Setlist standen Songs wie Schildfront, Ewige Wacht und Schildmaid. Letzteren haben sie bestimmt gespielt, weil ich da war! (Ich glaube das, solang ich keinen Gegenbeweis erhalte!)

Das Infield war randvoll von Leuten, die diesen musikalischen Höhepunkt miterleben wollten. Leider gab es einen Idioten, der es für geboten hielt, während der ersten Songs konstant den HItlergruß zu zeigen. Keine Ahnung, was im Kopf solcher Vollpfosten vorgeht, aber es gab prompt Konsequenzen: Sänger Freki hatte diese Handlungen mitbekommen und ihn dann des Festivals verweisen lassen, Entfernung des Bändchens inklusive. Ich hoffe, diese Person tritt immer mit nackten Füßen in richtig eklige Flüssigkeiten. Für so ein Gedankengut ist weder auf dem Wolfszeit noch in der Szene Platz.
Die Stimmung war aber schnell wiederhergestellt und so konnten alle gemeinsam das herausragende Set in vollen Zügen genießen. Ich denke, die magische Stimmung des Ortes hat VARG mit völlig neuer Energie versorgt und das hat man gemerkt!
Für uns die letzte Band des Tages und damit auch des Festivals waren KRZYSZTOF DRABIKOWSKI’S BATUSHKA. Dabei handelt es sich um die wahre Version von BATUSHKA, die nach einem langwierigen Rechtsstreit auch die einzige Formation ist, die unter dem Namen „Batushka“ auftreten darf.
Auch hier ist es schwierig zu beschrieben, was da auf der Bühne eigentlich zu sehen war… Ich denke, wenn man es mit „satanische Version von einer orthodoxen Totenmesse“ beschreibt, kommt man dem schon sehr nah. BATUSHKA sind auf jeden Fall eine Band, die sich im Club besser macht als auf einer Festivalbühne, aber die ganze Show war mit sehr viel Liebe zum Detail ausstaffiert und hat mich sehr überzeugt! Es kann aber auch sein, dass sie irgendwas in den Weihrauch gemischt haben, das dazu führt, das man süchtig nach ihnen wird… Wäre auf jeden Fall sehr Metal gewesen!
Das war es dann an der Stelle auch wieder für uns vom Wolfszeit 2024… Aber keine Sorge: Ein bisschen mehr Inhalt zu ausgewählten Bands folgt noch. Bleibt also gespannt auf die nächsten Tage!


2 Kommentare zu „Der Ort des wilden Meerrettich – Wolfszeit Tag 2“