Ein Ballsaal in Trance – ELLENDE, GROZA und SERVANT in Dresden

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Es ist Herbst geworden in unserem schönen Land und während die Blätter von den Bäumen fallen, ziehen zahlreiche Bands in die Welt hinaus, um mal zu gucken, wer sie denn alles ganz gerne mal hört! Nachdem wir im Sommer wieder zurück auf Black-Metal-Pfade gelangt sind, war für uns daher klar: Das müssen wir nochmal machen. Für uns ging es daher zur „Scherben“-Tour von ELLENDE, GROZA und SERVANT, die am 18.10. einen Stop in Dresden einlegte. In einem atemberaubenden Ballsaal von 1914 wurden düstere Töne zelebriert, die einem in vielfacher Hinsicht eine Gänsehaut bescherten!

Bleibt also dran für eine einzigartige Kombination aus Düsternis, Emotionalität und gaaaaaaanz viel Nebel!

Vielen Dank auch wieder an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder! Du trotzt den schlechten Lichtverhältnissen jedes Mal auf Neue!

ELLENDE @Parkhotel Dresden; Pic by lightinmirror.de (c) 2024

SERVANT

Der Abend wurde eingeläutet von SERVANT, einer Band, die mir bisher noch nicht begegnet war. Entsprechend unbedarft und ergebnisoffen habe ich ihrem Auftritt entgegen gesehen. 

Was ich im allgemeinen an Black Metal sehr schätze ist dieses unverschnörkelte und direkte Auftreten, das die Akteure an den Tag legen. Man geht auf die Bühne, um die eigene Musik zu spielen. Nicht mehr und nicht weniger! 

So verhielt es sich auch bei SERVANT. Von der Sekunde an, an der die Musiker die Bühne betraten, war klar, wo es hingehen würde. Das hat für mich auch eine gewisse Ehrlichkeit! 

Musikalisch fand ich es wirklich ansprechend! Hier treffen viele hochqualitative Elemente aufeinander, von den glasklaren und garstigen Vocals über das technisch anspruchsvolle Schlagzeugspiel bis hin zu schnellen Gitarren, wird hier jeder Black Metal Liebhaber sicher fündig! Im Nachgang an das Konzert habe ich es mir natürlich auch nicht nehmen lassen und mal in das aktuelle Album hineingehört und es klingt stellenweise so, wie sich Nietzsche liest… Kann natürlich sein, dass ich das etwas zu überinterpretiere, immerhin hatte ich in meiner Jugend die Gelegenheit am gleichen Ort zu lernen, wie der deutsche Philosoph, aber die Musik hat doch etwas sehr okkultes, das gut zu ihm passen würde! 

Dahingehend haben sie sich auch deutlich von GROZA und ELLENDE abgehoben, deren Musik für mich einen eher emotionalen Ursprung hat.

Insgesamt habe ich mit SERVANT auf jeden Fall eine neue Band für meine „Black Metal Herbst“ Playlist entdeckt. Es war dahingehend auch sehr schade, dass sie nur etwa eine halbe Stunde gespielt haben. Wer SERVANT darüber hinaus mal etwas näher beschnuppern möchte, dem sei hier ausdrücklich ihr aktuelles Album Death Devil Magick ans Herz gelegt!

SERVANT @Parkhotel Dresden; Pic by lightinmirror.de (c) 2024

GROZA

Im Programm ging es dann weiter mit GROZA, die wir in diesem Jahr zwar schon auf dem Wolfszeit erleben durften, aber so eine Club- bzw. Ballsaal-Show ist ja dann doch etwas anderes als eine Festivalshow. GROZA erlebt man besser im Dunkeln bei einer Clubshow als im Hellen bei einem Festival!

Die Gruppe um Sänger P.G. eröffnete ihr Set mit dem Song Asbest, der für mich einer ihrer emotionalsten Songs überhaupt ist. Zwischen den stellenweise melancholisch-feinfühligen Parts dominieren schwermütige Gitarren in Kombination mit einer herausgeschrienen Verzweiflung die Stimmung des Songs, der mich fast bis an den Rand der Tränen brachte. Als Opener komplett heftig, aber an dem Abend genau das Richtige!

Das Set war geprägt von Songs aus dem aktuellen Album Nadir, das aus meiner Sicht das beste der Band bisher ist. GROZA füllen mit ihrem unverwechselbaren und kompromisslosen Post Black Metal eine emotionale Nische, die für mich immer unbesetzt war. Sie laden das Publikum ein, an ihrer eigenen Konfrontation mit sich selbst teilzuhaben und tief in die eigene Psyche hinab zu steigen. Für mich hat das immer auch einen gewissen heilenden Aspekt, denn ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die sich mit diesen Gefühlslagen auseinandersetzt und hier finde ich für sehr spezielle Gefühlsaspekte ein musikalisches Gegenstück.

Das leider auch hier viel zu kurz geratene Set fand seine Höhepunkte (und leider auch sein Ende) mit den Songs Deluge und Daffodils. Anhand der Reaktionen der Menschen um mich herum war genau zu erkennen, dass nicht nur ich noch nicht bereit war, diese dunkle Gedankenwelt gegen eine andere zu tauschen… Abschließend bleibt mir in Bezug auf diesen Auftritt nur zu sagen, dass es, was Tour Line-Ups angeht, schon lange keine so wundervoll stimmige Kombination gegeben hat, wie mit GROZA und ELLENDE! Vielleicht liegt mein Eindruck aktuellen Herbstmelancholie, aber es war genau das, was ich gebraucht habe! Wer das verpasst hat, der kann wirklich traurig sein!

GROZA @Parkhotel Dresden; Pic by lightinmirror.de (c) 2024

ELLENDE

Bevor wir aber zum musikalischen Höhepunkt des Abends kommen, will ich die Gelegenheit noch einmal kurz nutzen, um den wirklich tollen Sound an dem Abend hervorzuheben! Wir erleben ja sehr viele Live-Shows und selten hat der Sound so gut gepasst, wie an dem Abend. Auch der Umstand, dass zwischen den einzelnen Bands immer wieder KATATONIA lief, war einfach wundervoll. Weiter so!

Weiter im Text und auch im Programm des Abends: ELLENDE! Wer diese Band ein bisschen verfolgt, der weiß, dass man es hier mit einem holistischen Black Metal Konzept zu tun hat, das seines Gleichen sucht. Für uns war die Vorfreude auch deshalb besonders groß, weil wir sie zum ersten Mal live erleben durften. 

Der Saal war durch die anderen Bands schon in einen Dunst aus Nebel gehüllt worden, als die ersten Töne erklangen, die erahnen ließen, dass der aktuelle Release Todbringerin eine tragende Rolle spielen würde. Die Kombination aus dem Nebelschleier und den melancholisch-schmerzhaften Tönen war mit Sicherheit eine, die der Ballsaal im Dresdner Parkhotel so noch nicht erlebt hatte!

Das Songrepertoire des Abends war eine herausragende Mischung der Releases und selbst ein Song aus Rückzug in die Innerlichkeit hatte es auf die Setlist geschafft. Während Sänger L.G., Corpse Paint und Tierknochenrüstung inklusive, auf der Bühne die tief emotionalen Songs zum Besten gab, wie eine Art Salvator Mundi des Black Metal, wiegte sich das Publikum in einem tranceartigen Zustand vor der Bühne. So etwas habe ich so in der Art noch nicht erlebt. Die Stimmung war förmlich greifbar und so von tiefer Verbundenheit ob der dargebotenen Musik gekennzeichnet, dass ich hinterher Schwierigkeiten hatte, wieder in die Realität zurückzukehren. 

ELLENDE @Parkhotel Dresden; Pic by lightinmirror.de (c) 2024

ELLENDE vertonen einen Weltschmerz, dem eine verhängnisvolle Kälte der Verzweiflung anhängt. Es ist dabei aber keineswegs brutal konfrontativ, sondern atmosphärisch einfühlsam und in der Live-Erfahrung teilt man diesen Eindruck mit allen, die dieser Aufführung beiwohnen. Über eine komplette Hingabe an die Musik schaffen es L.G. und seine Mitstreiter eine Art Katharsis zu schaffen, die in der Szene ihresgleichen sucht. 

Für Außenstehende ist es sicherlich absolut nicht verständlich, wie man sich das antun kann, aber glaubt mir, ich habe selten ein Konzert so gebraucht, wie dieses. All der Druck, mit dem ich in den letzten Wochen zu kämpfen hatte, hatte plötzlich wieder ein Ventil, aus dem er entweichen konnte. Es war für mich ein Abend voller tiefer Gefühle und der Erkenntnis, dass viele Gefühlslagen nicht so unverständlich sind, wie der eigene Geist es einem oft vorspielt. Kurzum: Black Metal ist auch Therapie!

Leider endete der Ausflug in die Innerlichkeit viel zu schnell, jedoch passenderweise mit dem Song Abschied. Mental war es für mich noch lange nicht Zeit Abschied von diesem Abend zu nehmen, aber das ist vielleicht auch genau der Punkt: Abschiede kommen nie dann, wenn es einem passt oder wenn man für sie bereit ist. Insofern bleibt mir nur zu sagen, dass es absolut einzigartiger Abend für uns war. Diese Tour war ein absolutes Herbst-Highlight für uns und es war eine Ehre, dass wir das erleben durften!

Wenn auch ihr noch nicht so richtig bereit seid, diesen Abend hinter euch zu lassen, so lasst euch gesagt sein, dass das letzte Wort hierzu noch nicht gesprochen ist. In Kürze erwartet euch hier noch ein Interview, auf das ich selbst mit großer Vorfreude blicke. Bleibt also gespannt!

ELLENDE @Parkhotel Dresden; Pic by lightinmirror.de (c) 2024

1 Kommentar zu „Ein Ballsaal in Trance – ELLENDE, GROZA und SERVANT in Dresden

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