Die Schönheit der Dichotomie – Ein Interview mit Zoë von CRADLE OF FILTH

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Manchmal wird man gefragt, ob es eine bestimmte Person in der Band gibt, mit der man gerne sprechen würde. Da man die Band und die Leute in ihr meistens nicht kennt, ist das natürlich eine sehr schwere Wahl. Zum Glück hatte ich in diesem Fall von CRADLE OF FILTH meine gute Freundin Sandy, die sagte „Girl, du musst mit Zoë reden! Ihr würdet euch gut verstehen!“ und ich habe es dann einfach mal versucht! Was soll ich sagen? Sandy hatte Recht und ich habe dieses Interview sehr genossen, weshalb ich es als den letzten Höhepunkt des Rockharz 2025 zurückgehalten habe. Das Beste kommt ja immer zum Schluss, nicht wahr? Einen riesigen Dank an Zoë, dass sie sich mir gegenüber so geduldig gezeigt hat und so ehrlich und offen geantwortet hat! Unten könnt ihr alles über ihre Inspirationen, ihre Ziele und welche besondere Person sie gerne mal mit auf Tour nehmen würde, lesen!

Außerdem einen riesigen Dank an die einzigartige lightinmirror.de für die tollen Fotos!

CRADLE OF FILTH @Rockharz 2025; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

Shieldmaiden’s Voice: Was bedeutet Musik für dich?

Zoë: Musik ist eine Sprache, es ist das Nächste, was wir zu Magie auf dieser Welt haben. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, wie Musik beispielsweise die physische Welt um uns herum bis hin zu menschlichen Zellen beeinflusst und wie bestimmte Musik die Zellen in unserem Körper vibrieren lässt. Es werden Möglichkeiten erforscht, wie Musik Krankheiten heilen könnte. Wir wissen bereits, dass Musik psychische Probleme heilen oder lindern kann, indem sie beispielsweise die Stimmung hebt und dabei hilft, die Gedanken zu fokussieren. Ich glaube wirklich, dass Musik das ist, was der Magie am nächsten kommt, etwas, das immer noch ein Rätsel ist, während wir es in unserer Evolutionsgeschichte versuchen zu entschlüsseln. 

SV: Ein bisschen wie Liebe, oder? Man kann es nicht begreifen, aber es ist da!

Zoë: Ja, das ist auch ein Rätsel!

SV: Was inspiriert deiner Meinung nach deine Musik am meisten?

Zoë: Ich denke, jeder muss sich von seinen Lebenserfahrungen inspirieren lassen. Man kann nur über das schreiben, was man weiß. Aber wenn man Musik macht, hat man die Hoffnung, dass etwas, das man durchgemacht hat oder gefühlt oder erlebt hat, auch jemand anderen anspricht. Ich denke, wir schreiben es nicht nur, um verstanden zu werden, sondern um auch anderen Leuten zu sagen „Hey, vielleicht verstehe ich dich!“

SV: Wie spiegelt sich das in der Musik von CRADLE OF FILTH wider?

Zoë: Die Texte für CRADLE OF FILTH stammen alle von Dani Filth, einem großen Liebhaber von Horror und viktorianischer Literatur und Poesie. Ich denke, seine Liebe zur Sprache kommt in seinen Texten sehr stark zum Ausdruck. Er ist sehr geschickt mit Worten. Ich habe noch nie einen klügeren Wortschmied getroffen, um ehrlich zu sein. Es ist diese große Liebe zur Schönheit, die herauskommt, auch wenn er über dunkle und schreckliche Dinge spricht. Die Sprache, die er üblicherweise wählt, ist so schön. Ich glaube, dass er als Texter die meiste Zeit seine große Liebe zur Schönheit auch in der Dunkelheit projiziert, auch wenn ich nicht für ihn sprechen möchte.

SV: Schönheit entsteht für mich oft aus Kontrasten. Meistens sind in der Natur die schönsten Dinge die gefährlichsten. Das ist der Eindruck, den ich von dieser Musik bekomme.

Zoë: Die Dichotomie! Alles ist schöner, weil wir sterben!

SV: Genau! Im März habt ihr ein neues Album mit dem Titel Screaming of the Valkyries veröffentlicht. Was macht es eurer Meinung nach hörenswert?

Zoë: Ich denke, es ist uns gelungen, einen Oldschool-CRADLEOFFILTH-Sound mit etwas Neuem zu kombinieren. Donny und ich sind die neuesten Mitglieder und wir sind mit CRADLE OF FILTH aufgewachsen, als wir Teenager waren, also haben wir unsere Liebe zu Alben wie Midian in unsere Songwriting-Beiträge eingebracht, aber wir haben auch einige moderne Beiträge eingebracht. Es ist wirklich eine Oldschool- und eine Newschool-Atmosphäre zugleich. Es war wirklich cool, dass alte Fans so waren wie „Oh, ich fühle endlich Midian“ und neuere Fans das Gefühl hatten, dass es auch etwas für sie gibt.

CRADLE OF FILTH @Rockharz 2025; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Was gefällt dir an dem Album am besten?

Zoë: Ich würde auf die Dichotomie zurückkommen! Bei CRADLE OF FILTH dreht sich alles um die Dichotomie, und so hat man diese extreme, intensive, zerschmetternde Dunkelheit und auch dieses überwältigende Licht und diese Schönheit. Ich denke, wir haben es geschafft, diese Balance von Tracks wie Non Omnis Moriar zu haben, was natürlich ein Balladenstück ist, es ist sehr gefühlvoll und emotional, und dann hat man volle, In-Your-Face-Sachen wie To Live Deliciously. Große Dichotomien, große Kontraste!

SV: Wie du erwähnt hast, bist du eines der neueren Mitglieder. Wie war es für dich, Mitglied von CRADLE OF FILTH zu sein? Du hast erwähnt, dass du mit ihrer Musik aufgewachsen bist. Wie ist „Mann, ich wünschte, ich könnte in dieser Band sein?“ im Vergleich zu „Jetzt bin ich in dieser Band!“?

Zoë: Es ist die meiste Zeit irgendwie surreal! Die gute Nachricht ist, dass ich sehr schnell willkommen geheißen wurde und es sich wirklich warm anfühlte. Donny und ich haben uns wirklich gut verstanden, wir sind beide Amerikaner, beide Millenials, wir kommen aus sehr ähnlichen Verhältnissen, wir wurden beide zu Hause unterrichtet und viele andere zufällige Dinge. Und dann habe ich natürlich auch meinen Mann in der Band kennengelernt und ihn geheiratet, und wir haben uns auch sofort verstanden. Ich verstehe mich eigentlich gut mit allen Jungs. Es war nichts besonders Schockierendes, um ehrlich zu sein. Ich bin vor drei Jahren einfach so reingeraten und es läuft immer noch gut. Keine Probleme!

SV: Gibt es etwas Bestimmtes, das du in diesem Prozess über dich selbst gelernt hast?

Zoë: Dies ist ein neuer Bereich des Metal für mich, ich arbeite normalerweise im Symphonic Metal und Power Metal. Ich glaube, ich bin eine andere Songwriterin geworden als vor drei Jahren, weil ich an diesem Extreme, Gothic, Black Metal Ding arbeite. Ich habe viel über meine Grenzen gelernt und mich dazu gebracht, etwas Neues zu tun. Wenn es darum geht, was ich gelernt habe, wäre es wahrscheinlich, dass ich musikalisch mutiger geworden bin.

SV: Apropos Songwriting: Du hast erwähnt, dass Dani alle Texte schreibt. Wie läuft der Songwriting-Prozess in der Band ab?

Zoë: Normalerweise läuft es so ab, dass jemand die ersten Ideen für einen Song hat und sie dann an uns weitergibt. Malignant Perfection zum Beispiel begann mit ein paar Key-Ideen von mir, Donny und Ashok fügten ein paar Gitarren hinzu. Sie haben auch ein paar Sachen andere arrangiert. Martin hat dann das Schlagzeug beigesteuert. Irgendwann geben wir es dann Dani, um zu sehen, ob er sich davon inspiriert fühlt. Es ist wirklich eine Gemeinschaftsarbeit, es gibt nicht nur einen Weg, wie wir einen Song schreiben. Manche Songs beginnen mit ein paar Gitarren.

SV: Es ist also eher so eine Art „Mal sehen, was passiert“!

Zoë: Ja! Es ist ein Baby mit vielen Eltern!

SV: Ihr habt in letzter Zeit einige Konzerte gespielt. Worauf freust du dich am meisten, wenn ihr ein CRADLE OF FILTH-Konzert spielt?

Zoë: Ich liebe es, mit meinem Mann Musik zu machen. Es ist etwas sehr Intimes, mit jemandem, den man liebt, Musik zu machen. Ich würde es sogar mit etwas Sexuellem vergleichen, was die Intimität beim Musikmachen angeht. Ich liebe es, mit ihm Musik zu machen und mit ihm aufzutreten. Und ich liebe es auch, all die Fans auf der ganzen Welt kennenzulernen. Am liebsten sehe ich Mädchen bei den Konzerten, denn das erinnert mich an mich selbst, als ich als Teenager mit meinem Vater auf Konzerte ging. Deshalb freue ich mich auch besonders, Mädchen mit ihren Eltern bei unseren Konzerten zu sehen! Für mich ist das meine Zielgruppe! Es hat mir großen Spaß gemacht, durch die Welt zu reisen und andere junge Frauen zu treffen, die Metal lieben, die Metal machen wollen, und sagen zu können: „Du kannst das verdammt nochmal, du gehörst hierher!“

SV: Jetzt, wo du so viel mit deinem Mann auf Tour bist, gibt es da manchmal einen Punkt, an dem du denkst: „Oh mein Gott, ich könnte diesen Kerl umbringen!“?

Zoë: Absolut nicht, wir verstehen uns wirklich gut! Andere Leute fragen das auch! Wir kümmern uns gut umeinander, und es ist toll, so viel Zeit miteinander verbringen zu können.

SV: Das ist also eine gesunde Beziehung! Ich hätte mir vorstellen können, dass ihr euch irgendwann gegenseitig auf die Nerven geht, nur weil ihr so viel Zeit miteinander verbringt…

Zoë: Das ist keine FLEETWOOD MAC-Situation! [Wir lachen] Bei unserer Hochzeit war unser Bassist so nett und hat in seiner Rede erwähnt, dass wir uns einfach gut verstehen und es nie zu einem Drama kommt, in das wir den Rest der Band hineinziehen, und wir versuchen, das auch so zu halten. Wir verstehen uns wirklich gut, und weil wir denselben Lebensstil leben, ständig unterwegs zu sein, haben wir diese Geduld miteinander, dass wir sagen können: „Wir haben fünf Shows hintereinander gespielt, wir sind erschöpft, lass uns einander etwas mehr Raum gönnen!“

CRADLE OF FILTH @Rockharz 2025; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Lebensstil ist ein gutes Stichwort! Was ist den Leuten an diesem Lebensstil nicht klar?

Zoë: Er erschöpft einen emotional viel mehr als körperlich. Bei jedem Konzert geben wir allen Anwesenden etwas von uns, und am Ende der Tour hat man das Gefühl, als wären viele kleine Teile aus einem herausgerissen worden. Das ist nichts Schlechtes, aber ich verlasse die Tourneen immer emotional erschöpfter, einfach weil wir so viel von uns geben!

SV: Du wirst in naher Zukunft viel auf Tour sein. Was erhoffst du dir davon? Gibt es etwas, was du dir besonders wünscht?

Zoë: Irgendwann würde ich meine Tochter sehr gerne mit auf Tour nehmen. Ich fände es toll, wenn ich ihr mehr Einblicke in den Alltag meiner Mutter geben könnte, in die Dinge, die ich mache und die Orte, die ich sehe. Mittlerweile habe ich so ziemlich alles von meiner Bucket List abgearbeitet … Ich habe auf den Festivals gespielt, von denen ich geträumt habe, ich habe die Leute getroffen, die ich treffen wollte, und ich habe die Länder besucht, die ich sehen wollte. Ehrlich gesagt hoffe ich einfach, dass es so weitergeht!

SV: Welchen Rat würdest du jemandem geben, der dasselbe machen möchte wie du, zum Beispiel in einer (bekannten) Band spielen und auf Tour gehen möchte?

Zoë: Man muss wirklich man selbst bleiben. Man steht unter großem Druck, viele wollen einem sagen, wer oder was man werden soll, und jeder will einen in seine eigene Richtung oder Schublade stecken. Mir hat es geholfen, mich nicht in irgendwelche Schubladen zu stecken. Damit habe ich einige Leute verärgert, aber am Ende hat es sich gelohnt.

SV: Heute bist du zum ersten Mal beim Rockharz. Und noch eine letzte Frage: Worauf freust du dich, wenn du heute später auf die Bühne gehst?

Zoë: Ich liebe alle deutschen Festivals! Wann immer wir in Deutschland sind, sind die Gastfreundschaft, das Catering und die Organisation immer erstklassig! Euer Land hat es wirklich drauf, effizient zu sein! Besonders zu diesem Festival: Meine Freunde spielen schon seit Jahren hier und haben nur Gutes zu berichten. Bisher hat es alle Erwartungen erfüllt. Ich denke, wir werden heute Abend eine tolle Show haben, und danach hoffe ich, etwas von MONO INC. zu sehen, denn ich habe sie noch nie live gesehen und ich glaube, es wird ein toller Abend!

Was für ein toller Abschluss nicht nur für ein Interview, sondern auch für all das, was wir für Rockharz 2025 gemacht oder worüber wir berichtet haben. Aber keine Sorge: Wir haben schon neue Abenteuer im Visier, und ihr könnt bald hier alles darüber lesen!

CRADLE OF FILTH @Rockharz 2025; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

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