Neue Welten mit Equinox – Eine EQUILIBRIUM Review

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Band: EQUILIBRIUM

Album: Equinox

Genre: Pagan Metalcore

Spiellänge: 44:55

Release: 28.11.2025 (via Nuclear Blast)

Danke auch, wie immer, an lightinmirror.de für die wunderbaren Bilder!

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

Dass ich irgendwann mal fast ein halbes Jahr an einer Review arbeiten würde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen… Aber gut, wenn man schon gefragt wird, ob man mal reinhören will, dann ist die Antwort stets „Ja!“ und das erst recht, wenn man seit 2023 auf das in Rede stehende Album wartet. Seit Juni begleitet mich das neue EQUILIBRIUM Album Equinox nun schon und ich freue mich, dass ich euch nun meine Gedanken in ausführlicher Form dazu präsentieren kann! 

Eingeleitet durch seichte Töne, die einer Regentrommel ähnlich sind, umhüllen uns die ersten Töne des Albums in Form des Songs Earth Tongue, der dann aber schnell durch eine harsche Songgestaltung abgelöst wird.

Zur Abwechslung gibt es immer wieder chorale Gesänge, die zusammen mit den halbgeflüsterten Spoken-Word-Passagen einen schamanischen Eindruck erzeugen. Es ist ein guter Ausblick auf das, was im Laufe des Albums noch folgen wird: viel epische Melodiegestaltung, volle Vocals und ein Hang zu spirituell angehauchten Klängen, die kunstvoll mit altbewährten Metalelementen verwoben werden.

Insgesamt finde ich Earth Tongue als Opener gut, aber der letzte Funke kann leider nicht überspringen, weil ich stellenweise nicht verstehe, wo der Song eigentlich hinführen soll. Vielleicht ist das für das Gesamtverständnis aber auch nicht so relevant.

Mit einem ganz neuen Tempo kommt Awakening daher, der für mich die erste richtig große Nummer auf dem Album gewesen ist. Am Anfang hört man die Melodie erst langsam und unterlegt von einem Herzschlag. Dann wird das Tempo angezogen, sodass es wirkt, als würde das Individuum, dessen Herzschlag wir hören, langsam aus seinem Winterschlaf erwachen und spätestens beim ersten Chorus ist es ganz aufgewacht. 

Der Song überzeugt durch viel Tempo und Power, die mächtig und erhaben auf den Hörer einprasseln. Man kann genau das hören, was EQUILIBRIUM ausmacht: interessante Instrumente und eine ansteckende Spielfreude, die nichts an Epik vermissen lässt. Das für mich vermittelte Gefühl von Freiheit und Aufbruch hat mir in Renegades gefehlt und hier bekomme ich es nun endlich in Reinform.

Einzig das Ende ab 3:20 hätte man sich wirklich sparen können. Diese videospielartige Coda wirkt für mich merkwürdig deplatziert und trägt auch nicht zum Hörgefühl bei.

Mit einem Opening, das mich an das Universal Studio Opening erinnerte, schickt sich darauf folgend  Legends an, die Hörenden zu begeistern. Bis zum Einsatz von Fabians Vocals bei 1:12 ist die Melodie für mich eher beliebig und nicht wirklich spannend. War man vorher von Awakening noch voll aufgeregt, ist Legends der Song, der uns wieder erden soll. Bis auf ein paar eingängige Melodiebögen im C-Part kann mich der Song aber absolut nicht überzeugen. 

Hier kommt leider wieder der Aspekt zum Tragen, der mich bei Renegades so gestört hat: Die Idee, die stilistische Richtung ist super, aber der letzte Schritt fehlt komplett, um es zu einem Hit zu machen. Live war für mich der Eindruck hierbei ähnlich. Legends ist daher tendenziell auch der Song, den ich auf dem Album stets überspringen würde.

Wer an diesem Punkt auf eine reine Instrumentalnummer gewartet hat, der wird (zumindest teilweise) durch Archivist befriedigt. Das EQUILIBRIUM meets WARDRUNA/HEILUNG Crossover ist ein epischer Song, der entweder kurz vor dem Zug in die große Entscheidungschlacht, in der Mitte eines Rituals zugunsten einer Erdgottheit oder in einer Cut-Scene von Zelda auftauchen könnte. Warum man diesen Song schon an vierter Stelle bringt, verstehe ich zwar nicht ganz, aber ich bin sehr froh, dass es eine reine Instrumentalnummer auf das Album geschafft hat, auch wenn sie gerne noch etwas länger hätte sein können. 

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

Zu Bloodwood und I’ll be Thunder habe ich mich ja schon auf Instagram ausführlich geäußert. Checkt doch gern dazu die entsprechenden Posts!

Bei den beiden Songs kommt allerdings auch das zum tragen, was aus meiner Sicht viele Menschen in Bezug auf die neue Stilgestaltung EQUILIBRIUMs verkennen: Will man EQUILIBRIUM genretechnisch eingruppieren, landet man zwangsläufig bei Pagan Metal. In der Geschichte dieses doch sehr etablierten Genres muss einem zwangsläufig auffallen, dass es immer irgendwie um das Individuum und sein Verhältnis zur Außenwelt, insbesondere der Natur, geht. Das wird auf verschiedenste Weisen ausgestaltet, aber speziell bei EQUILIBRIUM sind die Naturthemen der Anfangsjahre entgegen der teilweise verbreiteten Meinung nicht verschwunden, sondern haben sich lediglich in ihrer Ausgestaltung gewandelt. Es macht aus meiner Sicht keinerlei Unterschied, ob wir uns in Die Weide und der Fluss (Sagas) der Betrachtung eines Baumes widmen, in Waldschrein die Suche nach einem heiligen Ort unserer Vorfahren unternehmen oder ob wir uns in Bloodwood mit einem menschgewordenen Baum konfrontiert sehen. Wichtig ist einzig und allein, dass die Frage „Wo stehe ich als Mensch im Kontext dieser mächtigen Natur und des allumfassenden Kosmos?“ schon immer bei EQUILIBRIUM eine Rolle gespielt hat und dies nicht dadurch endet, dass sich die musikalische Ausgestaltung verändert hat. Es ist lächerlich von KünstlerInnen zu erwarten, dass sie einmal eine Sache machen, damit erfolgreich werden und dann nie wieder etwas anderes machen. Wir alle sind unheimlich komplexe Personen und es ist Teil der menschlichen Existenz, dass wir Dinge, die wir vor 10 oder 15 Jahren getan haben, heute so nicht mehr machen würden. Diese Aspekte fehlen mir in der Debatte um die „Stilveränderung“ der Band komplett, unabhängig davon, dass man diese Stilveränderung, wie oben dargelegt, eigentlich auch nicht so nennen kann. 

Als ich die Titel der Songs des Albums gelesen habe und dort den Titel Anderswelt entdeckte, war ich schon sehr glücklich, dass es offenbar einen deutschsprachigen Song auf dem Album geben würde. Als dann der englische Gesang einsetzte, wurde ich leider eines besseren belehrt. Im Interview haben wir das ja auch schon kurz besprochen und ich finde, hier hätte man auch einen englischen Titel wählen müssen, um eben nicht so irreführende Erwartungen hervorzurufen.

Das ist aber glücklicherweise die einzige Enttäuschung, die dieser Song birgt. Die leichtfüßige Melodie kommt unbeschwert und eingängig daher und vermittelt mir ein Gefühl von Leichtigkeit, die ich genau an dieser Stelle im Album brauche. 

Apropos Leichtigkeit: Weiter gehts es nämlich mit Borrowed Waters, einem Song, den ich so auf diesem Album nicht erwartet hätte. Ein wirklich wundervoller, fast verwunschener Song, der mich wirklich sehr berührt. Leider ist es für mich aber auch ein Song, der irgendwie nicht auf dieses Album gehört, weil ich den Song nicht höre und denke „Ja, das ist ein EQUILIBRIUM Song“. Insgesamt hätte ich den Song, sofern man ihn denn auf dem Album wirklich haben wollte, mit Gnosis getauscht, weil ich ihn zu Archivist sehr passend finde und man danach aber noch mehr als einen Song braucht, um wieder in Fahrt zu kommen.

Das Beste kommt ja bekanntlich immer zum Schluss und so ist es auch hier. Nexus hat mich beim ersten Hören einfach nur weggehauen und ich bin einfach OBSESSED!! Dieser Song greift alle Elemente, die mir in den anderen Songs am Besten gefallen haben, auf und vereint sie zu einer epischen Nummer, die heavy, aber nicht überlastet ist. Wenn ich könnte, würde ich mir diesen Song intravenös geben!

Ein Problem, was ich immer hatte, war, dass in Songs vorkommende Spoken Word Parts immer von Männern eingesprochen worden sind. Seit Jahren habe ich gehofft, dass es mal eine Band geben würde, die das mal von Frauen machen lassen würde und siehe da: EQUILIBRIUM liefern! Das Ergebnis ist ein episches Meisterwerk, das das „Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist“ Gefühl zu 110% verkörpert. Dass die tragende Melodie mich stellenweise an die Szene im Mulan-Trickfilm erinnert, wo sie die Rüstung ihres Vaters an sich nimmt und an seiner statt zur Armee geht, hilft hier auch enorm.

Insgesamt ist Equinox ein Album des Ausgleichs. Es verbindet das altbewährte Erfolgsrezept EQUILIBRIUMs, das vorwiegend aus starker Epik und eingängigen Melodien besteht, mit den moderneren Elementen, die dem musikalischen Gesamtbild das Gewand der Aktualität vermitteln. Es fühlt sich an, wie der Aufbruch, der für mich seit Renegades fällig ist. Aus jedem einzelnen Song, egal, ob er mir gefällt oder nicht, geht eine unbändige Freude an der Musik hervor, die fast schon spiritueller Natur ist. Wer Sagas oder Turis Fratyr vermisst, wird hier aber auch einige Elemente wiederfinden, die zu begeistern vermögen. Es ist ein Album, das den Wandel der Zeit perfekt widerspiegelt und erfrischend offen darlegt, dass auch KünstlerInnen Menschen sind, die sich verändern. Ob Equinox das beste EQUILIBRIUM-Album bisher ist, muss ein jeder für sich selbst entscheiden. Für mich ist es aber das Beste, was sie an diesem Punkt in ihrer Bandgeschichte hätten produzieren können.

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

1 Kommentar zu „Neue Welten mit Equinox – Eine EQUILIBRIUM Review

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