Find the English version here.
Als wir Ende August unsere Planung für die Herbst- und Wintermonate gemacht haben, stand das Konzert, das wir vergangenen Freitag besucht haben, zugegebenermaßen ganz unten auf unserer Hitliste. Andere Sachen waren beim Planen eben irgendwie spannender. Aber wie so oft im Leben kommt es immer anders, als man sich das vornimmt. Und ganz ehrlich? Ich hätte es nicht anders haben wollen! Konkret ging es um die Modern Primitive Tour von SEPTICFLESH, die von EQUILIBRIUM, OCEANS und SCAR OF THE SUN komplettiert wurde. Wie der Abend für uns war, was wir erlebt haben und warum ich wirklich aufhören muss, bestimmte Sachen für mich vorherzusagen, das lest ihr unten!
Danke auch wieder an lightinmirror.de für die epischen Bilder!

SCAR OF THE SUN
Das erste Set des Abends ging an die griechische Band SCAR OF THE SUN, die mir vorher noch nicht bekannt waren. Mit einer Mischung aus Modern und Groove Metal, die für mich in Teilen wie der Versuch einer modernen MOONSPELL Interpretation klangen, machte sich die Band aus Athen daran das Publikum zu begeistern. Die Idee packende, aber auch leicht melodramatische Züge einzubauen, gefiel mir sehr gut! Auch kann man sich spezieller Referenzen auf die aktuelle politische Situation nicht erwehren. Leider wollte der Funke an dem Abend für mich nicht wirklich überspringen. Im Vergleich mit der Performance-Energie der anderen Bands des Abends, standen SCAR OF THE SUN nicht so gut da. Man muss aber auch sagen, dass nach etwa vier Wochen Tour durch ganz Europa auch einfach mal die Luft raus sein kann!

OCEANS
Kaum eine Band verinnerlichte an diesem den Spruch „Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist“ so sehr, wie OCEANS! An dem Punkt, an dem ich dachte, dass es jetzt noch ewig so weitergehen kann, da haben sie einfach das Set beendet! Frechheit!
Ihre Mischung aus modernem Death Metal und Metalcore, der von vereinzelten Nu-Metal-Einflüssen durchzogen ist, hat für mich ab der ersten Live-Sekunde einfach nur reingehauen! Der Opener PARASITE vom aktuellen Album HAPPY legte schnell die Marschrichtung fest und diese wurde mit dem zweiten Song SPIT nur noch verfestigt. Doch nicht nur das aktuelle Album fand seine Momente im Set, sondern auch frühere Releases waren vertreten. So waren auch die Songs Icarus (mein persönliches Highlight hier) und Shark Tooth mit von der Partie.
Trotz der für sie sehr schmalen Bühne, gab die Band um Frontmann Timo jede einzelne Faser ihres künstlerischen Könnens, um den Hellraiser zu zerlegen. Der Band gelingt es mittels eines Songwritings, das stellenweise bewusst unbequem ist, die Zuhörer zu begeistern und die Menge anzuheizen. Tiefe Gitarren, punktuell doppelte Growls und ein absolut krankes Schlagzeugspiel erzeugen eine Theatralik, die einen hinab in ungeahnte Tiefen zieht und dem Individuum gekonnt den Spiegel vorzeigt. Bestes Beispiel? BREED CONSUME DIE aka der einzige Zweck unseres Lebens. Ein Song, der mir live sehr viel Spaß gemacht hat.

Im Vorfeld hatte ich natürlich in OCEANS reingehört und war auch mit den Songs vertraut. Im Gesamtkontext des Line-Ups und meiner Kenntnis über die Livequalitäten von EQUILIBRIUM und SEPTICFLESH, hätte ich aber nicht gedacht, dass es so gut wird. Im Vergleich dieser starken Bands müssen sich OCEANS absolut nicht verstecken! Auch wenn vereinzelte Stimmen behaupten, OCEANS würden, ähnlich wie Steve Buscemi, einer verlorenen Jugend hinterher trauern, so muss ich erwidern: Man trauert hier nicht hinterher, man nutzt die eigenen Erfahrungen und baut daraus eine absolut geniale Soundwelt, die es in sich hat!
EQUILIBRIUM
Im Sommer habe ich ja noch großspurig behauptet, dass wenn ich mir EQUILIBRIUM erneut anschaue, ich das bei einer ihrer künftigen Headliner-Shows tun würde. Ja gut… hat nicht ganz funktioniert…
Wie auch schon in den letzten Shows gab es zu Beginn, in der Mitte und gegen Ende verstärkte Drum-Einlagen, die für mich auch viel zur Atmosphäre beitragen. Ich finde es sehr gut, dass sie das beibehalten haben! Der erste Song war auch gleich ein neuer, nämlich Legends. Ich äußere mich grundsätzlich nicht zu Songs, die ich nur einmal gehört habe, sodass ich mein Urteil hierüber noch zurückhalten werde. Neben Renegades – A Lost Generation, hatte es dann auch der letzte Single-Release, Gnosis, auf die Setlist geschafft. Für mich funktioniert dieser Song live wesentlich besser als im Stream, weil er für mich maßgeblich von Fabians Performance getragen wird.

Letztere hat sich für mich nochmal spürbar gesteigert. Durch die lange Dauer der Tour und den vergangenen Festivalsommer hat er aus meiner Sicht einiges an Erfahrung sammeln können, die sich auf der Bühne in eine Art selbstbewusste Routine verwandelt. Die Energie, die er daraus zieht, ist für mich sehr ansteckend gewesen.
Das Set enthielt zudem Songs, die man bei einer EQUILIBRIUM-Show als langjähriger Fan erwarten darf, namentlich Born to be Epic und Blut im Auge, die den zweiten neuen Song, Awakening, einschlossen. Besonders habe ich mich über Cerulean Skies gefreut, der sich über die letzten Monate zu meinem persönlichen Lieblingssong der Band hochgearbeitet hat. Unterstrichen wurde die Show von einer durchweg sehenswerten Lichtshow, die die Beste des Abends war.
Insgesamt blicke ich aber doch ambivalent auf diesen Auftritt: EQUILIBRIUM treten mit einer elektrisierenden Energie auf, die das Publikum regelrecht infiziert. Es macht einfach Spaß sich das anzusehen. Das kann für mich aber nicht darüber hinweg täuschen, dass wir auch etwa 1,5 Jahre nach dem Release von Shelter und dem Debut Fabians nach wie vor keinen größeren Release hatten. Gefühlt hätte mit der Veröffentlichung von Gnosis ein Datum für einen größeren Drop kommen müssen. Es hat für mich auch relativ wenig Sinn ergeben, warum man Shirts mit der Aufschrift Equinox Pt.1, also dem Titel einer kommenden Veröffentlichung, vertreibt, wenn besagte Veröffentlichung weder namentlich zuvor benannt, noch angekündigt wurde… Was auch immer zu diesen Verzögerungen führt, raubt ihnen ein Momentum, das sie einfacher nicht hätten haben können. Insofern hat der Abend für mich zwar ein paar Fragen beantwortet, mich aber mit einer großen zurückgelassen: Quo vadis, EQUILIBRIUM? Wohin geht es für EQUILIBRIUM?

SEPTICFLESH
Manchmal ist es ja auch ganz gut, wenn man sich auf bestimmte Dinge verlassen kann! Und wenn eine Sache sicher ist, dann dass SEPTICFLESH abliefern! Ich kann mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal den Hellraiser so gut gefüllt und in so einer ausgelassenen Stimmung erlebt habe!
Bisher haben wir SEPTICFLESH immer nur auf Festivals erlebt und es war eine willkommene Abwechslung jetzt einmal eine volle Headliner Show sehen zu können. Ihre unverkennbare Mischung aus Death Metal und Gothic Metal in Kombination mit den dramatischen orchestralen Parts, die sie in vielen Songs haben, macht sie live zu etwas ganz Besonderem. Dieses musikalische Feeling kommt aber bei Festivals nicht so gut herüber, sodass ich den Abend voll und ganz genutzt habe, um mich in diese Klangwelten hineinzudenken.

Als die Band um Sänger und Bassist Seth die Show mit The Vampire from Nazareth eröffnete, war klar, dass uns etwas Monumentales bevorsteht. Die Songs aus Modern Primitive, dem aktuellen Album der Band, waren an genau den richtigen Stellen im Set platziert und fügten sich so perfekt in den Reigen aus anderen Klassikern der bandeigenen Diskographie ein. Musikalische Highlights waren für mich vor allem Pyramid God, Coming Storm, Martyr und Prometheus. Letzterer Song war aus meiner Sicht auch der Höhepunkt des Konzerts.
Die Band versteht es, Geschichte mit Metal und der richtigen Portion Dramatik zu verweben. Irgendwo zwischen schwarzer Messe und Geschichtsunterricht muss man sich dann doch fragen, warum man eigentlich die ganzen alten Gottheiten nicht mehr verehrt! Vielleicht ist ein SEPTICFLESH Konzert auch eine Art Gottesdienst für all jene Gottheiten, die im Dunkel der Geschichte irgendwann mal verloren gegangen sind. Durch Einbindung des Publikums, beziehungsweise der Brüder und Schwester, wie Seth sie zu bezeichnen pflegt, drängt sich diese These nahezu auf.
Wie so oft, muss alles, was angefangen hat, auch irgendwann wieder aufhören. Die Leipziger Ausgabe der Modern Primitive Tour war da keine Ausnahme. Mit einer Zugaben, die Anubis und Dark Art enthielt, verabschiedeten SEPTICFLESH ihr Publikum in die kalte Novembernacht.
Auch wenn das vorerst das Ende dieses Artikels ist, so seid euch doch sicher, dass hier bald noch etwas anderes von diesem Abend kommen wird. Was genau das ist, lasse ich aber offen!


2 Kommentare zu „Modern, aber nicht primitiv – Modern Primitive Tour macht Halt in Leipzig“