Der Klang verbrannter Erde – HARAKIRI FOR THE SKY im Interview

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Zugegeben, der Titel ist in Bezug auf das aktuelle Album der Österreicher von HARAKIRI FOR THE SKY ein bisschen zu offensichtlich, aber für mich passt er einfach zu gut! Ihr aktuelles Album ist ein Testament an die Katharsis und die Verluste, die wir im Leben erleiden. Im Interview sprechen Sänger J.J. und Gitarrist M.S. zudem darüber, wie sich Scorched Earth von seinen Vorgängern unterscheidet und was es für ein Gefühl ist, dass derzeit so viele Dinge für die Band passieren.

Danke an der Stelle, wie immer, an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder! Darüber hinaus geht mein Dank an Patrick fürs Connecten und an Chris, der das Vor Ort wundervoll gemanaged hat!

HARAKIRI FOR THE SKY @UT Connewitz; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

Shieldmaiden’s Voice: Wenn ihr HARAKIRI FOR THE SKY in drei Worten beschreiben müsstet, welche wären es?

M.S.: Gute Frage… Ich würd sagen, für mich sind es Selbstverwirklichung, Katharsis und Zusammenhalt!

J.J.: Mhm…Katharsis hätte ich auch gesagt! Vielleicht auch Freiheit, aber das klingt so pathetisch… Aber Freiheit passt einfach, weil die Band uns schon viel ermöglicht hat, was man so wahrscheinlich nicht erlebt hätte oder uns eben auch an Orte geführt hat, die wir so auch nicht gesehen hätten. 

SV: Freiheit ist aber ein gutes Stichwort: Was sind eure persönlich größten Vorteile, die ihr aus der Musik zieht?

M.S.: Es gibt vieles loszuwerden und es gibt viele Möglichkeiten das zu tun. Andere Leute gehen ins Gym und hauen auf einen Boxsack ein, aber für uns ist die Musik ein Weg das Ganze kreativ zu bewältigen und uns Sachen von der Seele zu spielen. Dahingehend ist das Stichwort Freiheit wirklich nicht schlecht! Es ist sehr befreiend, kombiniert damit, dass wir beide Musikliebhaber sind. Wenn man die Möglichkeit hat, das selbst zu machen und die Musik an die Leute zu bringen,   noch dazu in einem Maß, dass man davon überleben kann, dann ist das eine sehr schöne Sache.

SV: Wo würdet ihr auf eurem Album Scorched Earth diese Selbstverwirklichung besonders sehen?

M.S.: Es ist ein Snapshot der jetzigen Zeit, wo wirklich viel in den Oarsch geht, wie man in Österreich sagen würde, und einer Aufarbeitung dessen. Es sind aktuelle Themen, ebenso wie Themen, die uns noch aus der Vergangenheit beschäftigen. Eben eine Darstellung, wie wir die Welt aktuell sehen und es sieht nicht rosig aus. 

HARAKIRI FOR THE SKY @UT Connewitz; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Inwieweit unterscheidet sich Scorched Earth dann aber von seinen Vorgängern?

J.J.: Ich interpretiere den Titel Scorched Earth auf zwei verschiedene Arten: Die eine Art ist das, was M.S. schon beschrieben hat, nämlich die Welt, in der wir leben und worauf wir uns zu bewegen. Andererseits ist „Verbrannte Erde“ eine Metapher für in die Brüche gegangene Beziehungen oder für etwas, was man verloren hat und wo man aber sein ganzes Herzblut hinein gesteckt hat. Wie die meisten HARAKIRI FOR THE SKY-Fans wissen werden, geht es bei mir immer um diese Themen. Verlorene Liebe und Entfremdung sind als Themen immer präsent und das hat auf eine gewisse Art auch immer etwas Aktuelles. Es ist aber auch etwas sehr lebensnahes. Genau deswegen muss ich auch darüber schreiben, ich kann nicht über irgendwelche Fantasiegeschichten schreiben oder über etwas, was mich selber gar nicht betrifft. Ich schreibe über die Sachen, die ich selber erlebt habe und über die Sachen, die mich berühren und probiere dabei alles möglichst poetisch zu verpacken. 

SV: Ich finde es interessant, wie du das beschreibst, denn für mich waren die übrigen HARAKIRI FOR THE SKY-Alben immer so eine Vertonung der Nacht. Wenn ich mir aber Scorched Earth anhöre, dann ist es zwar noch Nacht, aber ich sehe so einen Silberstreif am Himmel, ich sehe, dass die Sonne schon ein bisschen aufgeht. Würdest du dann sagen, dass es mittlerweile positiver besetzt ist? Es ist schon noch melancholisch, aber nicht mehr so tieftraurig.

J.J.: Ich weiß, was du meinst. Das sind diese Suizidanspielungen, die weniger geworden sind und auch generell diese Todessehnsucht, die nicht mehr so oft vorkommt. Das mag sein, dass das ein bisschen entschärft ist. Aber die Traurigkeit generell und diese Endgültigkeit dieser Abschiede, die in den Texten besungen werden, die finde ich fast noch trauriger als das andere. Ich finde nicht, dass es sich verbessert oder verschlechtert hat, es ist halt einfach eine andere Art von Traurigkeit, die vielleicht mit Wut gemischt ist. 

SV: Vielleicht haben die anderen Alben eher die Wut über das „Wieso ist das so?“ behandelt, während Scorched Earth sich eher mit der Wut darüber befasst, dass es so ist, dass es so unwiderruflich und so final ist. 

J.J.: Ja, genau, so sehe ich das auch!

HARAKIRI FOR THE SKY @UT Connewitz; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Unabhängig davon, dass sich bei euch um unheimlich schwere Themen geht, in denen sich aber viele wiederfinden können, ist es aber so, dass mit diesem Album sehr viel für euch passiert. Ihr wart vor zwei Wochen in den USA mit SWALLOW THE SUN und jetzt sitzen wir hier in Leipzig, es geht für euch Schlag auf Schlag weiter. Was ist das für euch für ein Gefühl, dass ihr mit diesem Album so busy seid?

M.S.: Es ist einerseits sehr schön, weil tun können, was wir lieben. Andererseits ist es wichtig, dass man zuhause die Zeit hat, um auch mal zur Ruhe zu kommen. Es ist ja auch einer der angenehmeren Aspekte, dass wenn man längere Zeit weg war, man dann hinterher mehr Zeit am Stück hat. Das wäre bei einem 9 to 5 Job nicht möglich, dass man mehrere Tage am Stück für sich selbst hat und Zuhause zu sein beziehungsweise mit dem Partner dann in den Urlaub zu fahren. Die Arbeitszeit, die andere von Montag bis Freitag haben, ist bei uns eben jetzt konzentriert und dafür haben wir zwischendrin mehr Freizeit. Ich mag das eigentlich ganz gern so! Zumal es ja auch nicht so ist, dass wir etwas tun müssen, was wir nicht mögen!

J.J.: Auf Tour hat man immer mal bessere Tage und mal schlechtere Tage. Dann kann man wieder zwei Nächte nicht schlafen, dann ist man deprimiert und dann kommt ein Konzert, was super gut ist, dann kriegt man einen Euphorie-Schub und alle ist wieder gut. Es ist ein ständiges Auf und Ab, aber was am Ende dabei herauskommt, ist eine coole Erinnerung und man hat etwas Cooles erschaffen. 

M.S.: Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, aber auch wenn die Tage mal scheiße anfangen, man hat keine Lust und dann geht man auf die Bühne und spätestens dann weiß man wieder, warum man das macht und dass es das wert ist. Es hat bisher kein Konzert gegeben, bei dem ich danach von der Bühne gegangen bin und dachte, dass es mir keinen Spaß gemacht hat. Ich denke, solange es so bleibt, so lange kann man das auch weitermachen. Wir haben uns das Richtige ausgesucht!

SV: Weitermachen dürft ihr meinetwegen gern! Die aktuelle Tour ist ja eine sehr Große. Ich kann mich erinnern, dass ich euch mal gesehen habe, wo nur 50 Leute da waren und heute habt ihr das UT Connewitz ausverkauft. Was sind eure Hoffnungen, die ihr mit der Tour verbindet?

M.S.: Es wäre schön, wenn die Leute die Musik mögen und wertschätzen und wir spielen auch gern vor nur 50 Leuten, die die Musik fühlen. Man darf ja nicht die bestrafen, die trotzdem kommen, denn die können ja nichts für die Leute, die nicht gekommen sind. Es gibt viele kleine Shows, die extrem Spaß machen, aber es ist halt schön, dass sich die Arbeit und das kontinuierliche Spielen auch auszahlt und dass es scheinbar immer noch Leute gibt, die unsere Musik vorher nicht kannten, die aber die Musik ansprechend finden. Das freut uns natürlich sehr!

SV: Wenn ihr in die Zukunft schaut, was sind da eure Hoffnungen für euch und die Band? 

M.S.: Das ist eine schwere Frage! Ich schau einfach mal, dass wir das jetzt machen und ich weiß noch nicht, wie es dann irgendwann mit einem neuen Album aussehen wird.

J.J.: Es ist sehr schwer irgendwelche Zukunftsperspektiven aufzustellen, es ist schwer etwas zu planen. Es wird wahrscheinlich jetzt nicht so sein, dass wir keine Lust mehr auf die Band haben, aber da ein neues Album in zwei Jahren oder in vier Jahren oder wie genau das dann aussieht, das wollen wir uns jetzt einfach noch nicht überlegen.

M.S.: Es ist von Album zu Album immer ein Kapitel, an dessen Ende immer ein bisschen Ruhe einkehrt und dann machen wir irgendwann etwas neues. Wir schauen dann auch immer erstmal, welche Eindrücke wir zwischendrin gesammelt haben. 

J.J.: Wir nehmen uns nichts vor, wir sagen nicht sowas wie „Auf dem Album wollen wir experimenteller sein!“. Nein! Was ist, das ist! Was es wird, das wird es eben. Wir wollen einfach Musik machen, die wir spielen wollen und hinter der wir auch stehen. Es muss einfach authentisch sein.

HARAKIRI FOR THE SKY @UT Connewitz; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Damit kommen wir auch leider schon zu meiner letzten Frage, die vielleicht ein bisschen philosophisch angehaucht ist! Wenn eure jüngeren Ichs euch jetzt sehen könnten, was würden sie sagen?

M.S.: Kannst du die Frage in drei Stunden nochmal stellen? [wir lachen]

J.J.: Das ganze Leben ist ein Lernprozess und auf der einen Seite wünsche ich mir vor allem, dass ich im privaten viele Sachen anders oder nicht gemacht hätte. Andererseits ist es aber auch so, dass mich diese Entscheidungen genau an den Punkt gebracht haben, an dem ich heute bin. Das hat mich alles zu der Person gemacht, die ich heute bin und die ist, glaub ich, schon ganz in Ordnung. Ich kann also damit leben, sozusagen. Jeder Fehltritt bringt dich ja trotzdem irgendwie nach vorne. 

M.S.: Wie im Schaukelstuhl! Wenn du nach hinten schwingst, schwingst du auch wieder nach vorn. Ich denke, mein früheres Ich wollte immer schon Musik machen und sich kreativ ausdrücken.

J.J.: Wir haben uns beide eigentlich noch nie wirklich beirren lassen, wir haben immer unser Ding gemacht. Im Endeffekt hat es sich eben zu dem entwickelt, was es jetzt ist. man hat ja eine gewisse Vision für sich selbst und auch da sind nie alle Entscheidungen richtig. Man kann beispielsweise 10 Jahre später denken, dass man das ein oder andere Album vielleicht anders hätte produzieren sollen. Wenn man im Endeffekt eine Vision hat und die umsetzen will, dann sollte man das einfach machen!

M.S.: Wir haben eine bestimmte Überschneidung, was Musik angeht, hören aber auch sehr unterschiedliche Sachen. Die gesamte Mischung aus dem, was wir machen, also ich die Musik und er die Texte, finden die Leute eben interessant, weil es anscheinend genug Eigenständigkeit hat. Das ist was sehr schönes! 

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich immer wieder dankbar bin für Interviews wie dieses. Es ist eine Sache eine Band zu lieben, aber nochmal eine ganz andere, wenn man ihnen in solchen Kontexten eben auch die eigenen Fragen stellen kann. HARAKIRI FOR THE SKY haben seit Jahren einen festen Platz in meinem Herzen (und mit den Special Editions von ihren Alben auch einen Platz in meinem Regal) und deswegen ist es einfach ein tolles Gefühl, wenn ich so etwas posten darf. Das solls an dieser Stelle aber auch wieder mit der Sentimentalität gewesen sein! Hier gehts dann im Mai mit zwei anderen Dingen weiter. Bleibt also gespannt!

HARAKIRI FOR THE SKY @UT Connewitz; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

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