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Es waren ein paar turbulente Wochen für HEAVEN SHALL BURN: Von dem Ausfall von Sänger Marcus bei Rock am Ring über die Verpflichtung von Britta Görtz von HIRAES als Ersatz am Mikro bis hin zum Release des aktuellen Albums Heimat, mussten HEAVEN SHALL BURN viel durchmachen. Als große Fans der Thüringer Band bestand für uns keine Frage, dass wir diesen Geschehnissen mal auf den Grund gehen müssen! Wir sind sehr dankbar, dass das geklappt hat und wir diese Gelegenheit erhalten haben. In dem in Kürze erscheinenden Tagesbericht könnt ihr dann auch noch mehr zum Auftritt von HEAVEN SHALL BURN auf dem Rockharz erfahren.
Lest also vorher hier im Interview mit Gitarrist Maik, was der Begriff „Heimat“ für ihn bedeutet, was seine Highlights auf dem Album sind und wie er die letzten Wochen wahrgenommen hat.
Danke an dieser Stelle, wie immer, an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder!

Shieldmaiden’s Voice: Was macht HEAVEN SHALL BURN einzigartig?
Maik: Was HEAVEN SHALL BURN einzigartig macht? Mhm… Ich denke, das sieht man in der jetzigen Situation ganz gut, wo unser Sänger leider ausgefallen ist oder sich zumindest jetzt schonen muss. Da merkt man, dass wir eine Band sind, die immer eher nach dem Bauchgefühl operiert. Wir denken gar nicht so viel darüber nach, ob das der businessmäßig richtige Weg ist oder ob wir an anderer Stelle noch ein Meeting mit Booking Agentur, Management oder der Plattenfirma machen sollten. Wir entscheiden einfach viel aus dem Bauch heraus und so haben wir die Britta angerufen und gefragt, ob sie nicht Bock hätte, für uns zu singen. Diese Bauchgefühlentscheidung hat sich als totaler Glücksgriff erwiesen. Genau das macht uns eigentlich aus: Wir nehmen uns selbst nicht zu ernst und dadurch waren wir über die Jahre und Jahrzehnte unserer Bandgeschichte immer in der gleichen Schwingung mit unseren Fans. Es ist wirklich ganz selten, dass die Fangemeinde denkt: „Boah, was machen die denn jetzt?“ Es ist vielmehr so ein „Gleichschwingungsfeedback“. Aber HEAVEN SHALL BURN ist meine einzige Band, insofern kann ich nicht beurteilen, ob das etwas Besonderes ist, weil ich nicht viel Banderfahrung mit anderen Bands habe.
SV: Was, würdest du sagen, beeinflusst eure Musik am Meisten?
Maik: HEAVEN SHALL BURN wurde ja gegründet, um unsere politische Meinung kundzutun. Ich erzähle immer die Geschichte, dass ich früher in der Schule Artikel für die Schülerzeitung geschrieben habe und das hat kaum jemanden interessiert. Wenn man aber mit der Gitarre am Lagerfeuer gesessen hat, dann hat einem auf einmal jeder zugehört. Das war für mich irgendwie ein Schlüsselerlebnis, dass man die Texte auch einfach mit Musik verbinden könnte. Wenn man Bands wie MORBID ANGEL oder DREAM THEATER hört, dann sind das Bands, die eine musikalische Vision haben, die sie verwirklichen und die als Kunstformen der Musik existieren. Das, was HEAVEN SHALL BURN nach vorne treibt, ist die Attitüde. Wir wollen den Leuten unsere Meinung sagen, die Leute mitnehmen, bestenfalls ermutigen, etwas Positives aus ihrem Leben zu machen und dafür ist die Musik eher so eine Trägermasse. Es ist so, dass wir eher über unsere Attitüde nachdenken und gar nicht so sehr über die Musik.
SV: Euer aktuelles Album Heimat ist vor kurzem erschienen. Was für eine Rolle spielt das Konzept „Heimat“ generell für dich?
Maik: Das Konzept „Heimat“ gibt es ja nicht. Der Grundgedanke ist, dass sich jeder für sich mal Gedanken darüber machen sollte, was „Heimat“ für sie oder ihn bedeutet. Diese ungesunde Situation, dass irgendwelche rechten Populisten diesen Begriff nehmen und ihn auf irgendeinen Thron heben und mit diesem identitären Schwachsinn ausfüllen, während in unserer linken Blase der Begriff nicht mal mehr verwendet wird, ist Grund genug, sich darüber mal Gedanken zu machen. Es ist auch nicht gut, wenn man darüber gar nicht nachdenkt. Ich denke, dass das etwas ganz, ganz Individuelles, fast schon Intimes ist, was „Heimat“ für einen selber bedeutet. Das den Leuten irgendwie überstülpen zu wollen, Leuten erzählen zu wollen, was die eigene Heimat sein oder nicht sein kann, oder was der Begriff im Einzelnen zu bedeuten hat, das finde ich enorm übergriffig. Das ist auch absolut ungesund! Jeder kann ja zu dem Schluss kommen „Meine Heimat ist die Milchstraße!“ und der Nächste sagt, seine Heimat wäre das Dorf oder ein bestimmter Hauseingang in irgendeinem Kiez. Das kann ja jeder für sich selber eingrenzen. Das ist so der Hauptgedanke und es ist auch das, was einen Albumtitel leisten können muss, dass er die Leute sofort emotional auf einer ganz eigenen Ebene berührt. Jeder, der den Begriff hört, und sei es auch eine negative Abwehrhaltung zu dem Begriff, hat erstmal ein Verhältnis dazu. Das ist toll, dass ein Albumtitel das leisten kann!
SV: Du hast ja schon begonnen, das inhaltlich auszufüllen, aber inwieweit unterscheidet sich Heimat von euren anderen Alben?
Maik: Klar, sind Alben unterschiedlich, aber das müssen andere Leute in der Rückschau entscheiden, wo da die großen Unterschiede sind. ich denke, eine unserer großen Stärken ist, dass wir unseren Sound gefunden haben und dass jeder HEAVEN SHALL BURN-Fan, wenn er den ersten Track auf der Platte hört, nach zehn Sekunden weiß, dass wir am Start sind. Insofern ist jede Platte ein kontinuierliche Fortentwicklung der Platte davor. Bei uns findet Fortschritt nicht als Revolution statt, indem wir mit neuem Line-Up oder neuem Produzenten etwas völlig anderes machen und die Leute komplett verblüffen. Bei uns ist es eine kalkulierbare Weiterentwicklung, wo Fortschritt immer zusätzlich zu dem, was ohnehin geleistet werden muss, stattfindet. Ich denke daher, dass sound- und songwritingmäßig der Unterschied zu den anderen Alben gar nicht so groß ist, zumindest von meiner Warte her. Natürlich ist die Platte etwas kompakter als das Doppelalbum, was vorher war. Da gab es noch viel mehr Experimente. Wenn man zwanzig Songs auf der Platte hat, dann ufert das natürlich mehr aus, als wenn man nur zehn hat. Insofern ist die Kompaktheit der Platte vielleicht der Unterschied. Im Sound haben wir noch ein bisschen was verbessert, was auch in Reviews bemerkt wird und das freut mich! Ansonsten ist aber HEAVEN SHALL BURN drin!

SV: Was sind deine persönlichen Highlights auf dem Album?
Maik: Ich finde die kompositorische Arbeit von Sven Helbig wieder absolut fantastisch und gelungen. Die Streicherquartetts, die er da arrangiert hat, und die wir auch zusammen aufgenommen haben in einer kleinen Thüringer Pilgerkirche (und das war auch so romantisch, wie man sich das jetzt vorstellt), das war einfach ein ganz tolles Erlebnis. Mit so einem talentierten Komponisten zusammenzuarbeiten, lässt einen ziemlich beseelt zurück. Im Vergleich dazu sind wir einfach nur blutige Amateure! Der hat gerade erst ein riesiges Requiem geschrieben, mit dem er in der ganzen Welt unterwegs ist und das ist ein Level an musikalischer Handwerkskunst, was wahnsinnig faszinierend ist, wenn man da mal reinschnuppern kann. Auf der anderen Seite bedeutet mir der Song A Whisper from Above ganz, ganz viel, weil er die Geschichte einer unfassbar couragierten Frau erzählt: Irene Gut war eine polnische Krankenschwester, deren Lebensgeschichte jeder mal ergoogeln und nachvollziehen kann. Der Song hat mir besonders viel bedeutet!
SV: Von der Resilienz von Irene Gut hin zu einer anderen Art der Resilienz: Du hast eingangs schon kurz angesprochen, dass euer Sänger leider wieder pausieren muss und Britta euch hier unterstützt. Was bedeutet es dir, dass ihr in dieser Situation eine solche Unterstützung aus der Szene erfahren habt?
Maik: Das war wirklich krass! Du musst dir vorstellen, dass wir auf dem größten Festival waren, was wir diese Saison gespielt haben, Rock am Ring, und dann stehst du nach dem ersten Song irgendwie da und es geht nichts mehr. Nicht nur, dass für die Band irgendwie nichts geht, sondern einer deiner besten Freunde steht dort und hat sich irgendwas getan und du weiß nicht, was los ist. Das ist schon rein persönlich ein totales Gefühlschaos, in das man da rein stürzt. Es war wie ein Film, der vor einem dann abgelaufen ist. Trotzdem gab es das auch diese positive Welle des Mitgefühls und der Solidarität, die über uns geschwappt ist. Man kann ja noch nicht einmal sagen, dass man sich darüber gefreut hat, es war einfach nur überwältigend! Du stehst da, das bricht über dich herein und du hast trotzdem das Gefühl, dass von den hunderttausend Menschen jeder Einzelne dich einfach gern in den Arm nehmen würde. Das war einfach ein richtig krasses Erlebnis! Das hat uns wirklich sprachlos zurückgelassen. Wir wissen auch noch immer nicht so richtig, wie wir das einordnen sollen. Ich wünsche niemandem, dass er sowas erlebt, dass eine solche Welle der Solidarität notwendig wird, denn das bedeutet immer auch, dass etwas Schlimmes passiert ist, aber wirklich krass!

SV: Ich denke, man kann das ja in das eigene Album der Erinnerungen aufnehmen, dass man so viel Unterstützung von Menschen erfährt, die einen nicht kennen. Das ist ja etwas unheimlich wertvolles! Thema „Unterstützung“ ist an dieser Stelle auch keine schlechte Idee: Ihr seid ja dann auch auf Tour. Was wünscht du dir für die Tour?
Maik: Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass wir alle gesund sind. Das ist immer das erste, was man sich für eine Tour wünscht. Man wünscht sich als Band auf jeden Fall auch, dass möglichst viele Leute kommen. Natürlich sollen sich die Leute auch über die Bands freuen, die wir dann als Support aussuchen! Darüber kann ich derzeit noch nicht allzu viel sagen, aber wir haben da ein fettes Line-Up zusammengestrickt. [Anm.d.Red.: HEAVEN SHALL BURN werden auf ihrer Tour unterstützt von THE HALO EFFECT, THE BLACK DAHLIA MURDER und FROZEN SOUL]
SV: Unsere Freunde von DELIVER THE GALAXY hätten auch Bock! Wenn ihr da irgendwann mal einen Ausfall habt, dann denkt gerne an die Jungs! [Wir lachen]
Maik: Wir hatten bei unseren Release-Shows ja auch einen Contest, wo sich Bands bewerben konnten und es war unfassbar, wie viele tolle Bands sich da beworben haben! Es fühlt sich total bescheuert an, dass du da jetzt sitzt und entscheidest, welche Band gut ist und welche nicht. Das ist eigentlich totaler Blödsinn! Eine Band kann ja auch gut sein, auch wenn ich sie nicht toll finde. Mein, oder unser, Geschmack ist da ja nicht ausschlaggebend. Es war toll, wie viele Bands sich beworben haben und wie viele junge Bands da draußen sind und wirklich Musik machen wollen. Man hat ja zunehmend den Eindruck, dass das jeder nur für sich auf seiner Bettkante für irgendwelche YouTube-Videos macht, um damit dann berühmt zu werden. Dass sich so junge Leute in einem stinkigen Proberaum zusammenfinden, da die Zeit ihres Lebens haben und einfach eine Band gründen, weil es Spaß macht, das ist einfach in der Online-Kultur verloren gegangen! Zu sehen, dass es das trotzdem noch gibt, war ein sehr cooles Gefühl!
SV: Was wünscht du dir für die Zukunft von HEAVEN SHALL BURN?
Maik: Mhm… Ich weiß nicht so richtig, wie ich das beschreiben soll… Ich wünsche mir, dass dieser positive Strang in der Metalszene, an dem wir unsere ganze Karriere über entlangfahren, noch weiter geht. Selbst der Mist, der mit unserem Sänger passiert ist, hat sich ja in etwas Positives gewandelt. Wir hatten die Möglichkeit mit jemandem, wie Britta zusammenzuarbeiten. Wir kannten sie natürlich vorher schon, aber sie näher kennenzulernen und als Freundin in die Band zu integrieren, weil sie einfach ein unfassbar toller Mensch ist, war eine unfassbar glückliche Situation! Und das obwohl da am Anfang eigentlich nur eine große Scheiße stand! Das hat sich in unserer Karriere sehr oft ereignet, dass sich die Dinge, die eigentlich negativ waren, zum Beispiel Touren, die wir nicht mitmachen konnten, sich im Endeffekt immer als positiv herausgestellt haben. Ich würde mir daher wünschen, dass wir dieses Glückskinder-Image auf Ewig mittragen!Dann kann gar nichts schief gehen!
SV: Wenn du zum Abschluss noch eine Message für eure Fans hättest, welche wäre es?
Maik: Ich würde mir wünschen, dass sie die neue Platte als Album hören. Wir wollen die Leute mit diesem Album auf eine Reise mitnehmen und das sollen unsere Fans genießen. Sie sollen es sich anhören, sich darüber eine Meinung bilden und das Album nicht nur mittels zweier oder dreier Songs in einer Playlist anhören, denn das tut den Musikern immer ganz viel Unrecht. In einem Album steckt so viel Arbeit, um die Leute auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitzunehmen und das geht oft verloren.
Nach diesem wundervollen Interview erwartet euch hier vom Rockharz 2025 natürlich noch einiges mehr! Freut euch auf drei weitere Tagesberichte, sowie sechs zusätzliche Interviews mit KünstlerInnen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Bleibt also gespannt! Die Tickets für die HEAVEN SHALL BURN Tour gibt es ab morgen in ihrem bandeigenen Shop und ab Montag im generellen Vorverkauf!


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