Find the English version here.
Nach drei Tagesberichten ist es wenig überraschend, dass euch hier nun der vierte Bericht dieser Art erwartet. Es geht, wie sollte es auch anders sein, um den Rockharz Samstag, der mich in diesem Jahr doch etwas enttäuscht hat. Wie immer, findet ihr die Gründe weiter unten, aber als kleines Vorgeplänkel habe ich noch ein paar mehr kritische Töne verloren. Auch wenn es bei weitem kein schlechter Festivaltag war, gehört es doch zur Ehrlichkeit dazu, dass man auch Sachen thematisiert, die einem nicht so gefallen haben. Darüber hinaus gab es auch die eine oder andere Band, die mich zutiefst gerührt hat. Findet heraus, welche Bands ich meine, was ich mir für die nächsten Jahre wünsche und warum tanzende Männer auf der Bühne auch irgendwie einen Spaßfaktor bringen!
Danke auch wieder an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder!

Was ich zu sagen habe!
Ich habe lange überlegt, ob und inwieweit ich das, was ich zum Rockharz in diesem Jahr zu sagen habe, hier wirklich nochmal aufrollen sollte. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ich etwas ähnliches in meinem Vorbericht schonmal dargelegt habe. Es war mir aber ein zu großes Anliegen, um es nicht nochmal anzusprechen!
Ich besuche das Rockharz nun schon seit 2014 und habe bisher nur 2015 und 2019 verpasst. Wir sind mit diesem Blog nicht nur auf dem Festival unterwegs, weil es ein großes und wichtiges Festival ist, sondern weil es einfach zu unserer Heimat zählt und mit unserer persönlichen Geschichte mit der Metalmusik unabdingbar zusammengehört. Ohne das Rockharz gäbe es auch diese Website nicht und das ist etwas, was uns immer wieder nach Ballenstedt bringen wird.
Allerdings ist mir in diesem Jahr, wie in keinem Jahr zuvor, besonders aufgefallen, dass dem Line-Up an einigen Stellen der Wow-Faktor einfach abhanden gekommen ist. Mir ist durchaus bewusst, dass man aus einem Line-Up nicht alle Bands mögen kann und diesen Anspruch habe ich auch gar nicht. Mich stört viel mehr, dass wiederholt Bands bucht, die seit Äonen im Metal herumzudümpeln scheinen und einfach auch mit der Zeit ihren Reiz verloren haben. Mir fehlt der Mut im Booking auch mal Bands zu buchen, die die breite Masse nicht auf dem Schirm haben. Zusätzlich sollte man auch mal im Blick haben, welche Bands gerade aktuell die Metalszene bestimmen. Wie gern hätte ich GOJIRA, LANDMVRKS, MOTIONLESS IN WHITE oder HARAKIRI FOR THE SKY oder MANNTRA mal (wieder) auf dem Flugplatz in Ballenstedt gesehen. Stattdessen bucht man etwa mit FROG LEAP ein Cover-Youtube-Projekt oder gibt DEN KASSIERERN einen so guten Spot und setzt dann GLORYHAMMER und CRADLE OF FILTH nacheinander auf die Running Order. Das verstehe ich einfach nicht! Auch in den schon verkündeten Bandbestätigungen zeigt sich das: Kein Hate an MOTORJESUS oder GOTHMINISTER, aber das ist halt einfach nichts, was irgendwie aufregend ist. Tendenziell würd ich das Statement auch auf HELLOWEEN ausweiten, aber es gibt ja noch mehr als genug Leute, die diese Band live sehen wollen.

Für die kommenden Jahre würde ich mir daher wünschen, dass man hier auch langfristig die Konsolidierung der Besucherbasis im Blick hat. Ein Publikum, das vor 20 oder 30 Jahren Spaß an Bands wie CLAWFINGER hatte (und in diesem Jahr wohl wieder hatte), wird einfach in 20 oder 30 Jahren nicht mehr da sein. Es ist Aufgabe des Bookingteams das im Blick zu haben und auch mal ein paar Bands zu buchen, die auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Es ist wirklich keine einfache Aufgabe ein gutes Booking zu machen, das allen Interessen gerecht wird, aber ich bin mir sicher, dass das Rockharz da ein paar fähige Leute hat, die das können!
Bei aller Kritik muss ich aber betonen, dass wir ein wirklich wundervolles Festival hatten, das uns nahezu beseelt zurückgelassen hat. Wir kommen nicht nur für die Musik, sondern wir kommen ebenso für die Gemeinschaft, die uns mit so offenen Armen empfangen und aufgenommen hat. Mir ist daher sehr daran gelegen, dass es auch in den kommenden Jahren ein Rockharz gibt, dessen Besuch sich vor allem wegen des Line-Ups lohnt!
Aber das soll auch genug der Vorrede gewesen sein! Wir sind hier schließlich bei einem Musikblog!
Cover, Identitätskrisen und die große Frage nach dem „Warum?“
Der vierte Rockharztag startete für mich gegen 12:30. Mit großem Interesse habe ich dabei dem Auftritt von ROBSE entgegengeblickt. Das Debütalbum der selbstbetitelten Band des durch EQUILIBRIUM bekannt gewordenen Sängers hatte mich leider nicht überzeugen können, auch wenn es gut produziert war. Mehr Hoffnung hatte ich da für den Live-Auftritt. Robse hat für seine Band definitiv ein paar wirklich talentierte Musiker gewinnen können, die den Auftritt für mich wesentlich getragen haben. Ihnen muss ich hier meinen Respekt zollen, denn man hat ihnen angemerkt, wie sehr sie diesen Auftritt genossen haben. Für die Fans vor der Bühne war ROBSE mit Sicherheit ein Highlight. Mich hat nur leider enorm gestört, dass die Songs einerseits so klingen, wie etwas, das ich schon hunderte Male gehört habe und sie mich so leider nicht überzeugen konnten. Andererseits hat sich für mich ein inhärentes Problem von Robse und seiner Band offenbart: In dem Versuch, sich sowohl von seiner Zeit bei EQUILIBRIUM musikalisch mittels eigener Band zu emanzipieren und andererseits trotzdem noch von dem Ruhm dieser (nun vergangenen Tage) zu zehren, wird klar, dass Robse nicht die kreative Kraft hinter den EQUILIBRIUM-Songs war, die wir alle so lieben. Es ist mir weiterhin unklar, wer ROBSE eigentlich künstlerisch sind. Insbesondere als ROBSE die EQUILIBRIUM Songs Karawane und Met gespielt haben, ist mir das aufgefallen. Der Kontrast zu den eigenen Songs ist so immens und gleichzeitig hatte ich auch den Eindruck, dass Robse das Tempo der EQUILIBRIUM-Songs aus dem Set nicht wirklich halten konnte. Vielleicht sollte man diesem Punkt auch einfach so ehrlich zu sich selbst sein, sich von der Vergangenheit komplett lösen und das eigene Künstlerprofil derart schärfen, dass es über „Ich bin Robse von EQUILIBRIUM“ hinaus geht. Der erste Schritt hierzu wäre es, aus meiner Sicht, die EQUILIBRIUM-Song aus dem Set zu nehmen.
Am vierten Rockharztag war musikalisch allgemein für mich sehr wenig zu hören, sodass ich die meiste Zeit die Bands über die VIP-Tribüne verfolgt habe. Wieder ins „richtige“ Infield ging es für mich dann während VISIONS OF ATLANTIS. Ich liebe ja die Stimme von Clementine Delauney und mit einem Hauch Piraterie macht das einfach auch Spaß! Eigentlich wollen wir ja auch nicht mehr so viel Power Metal machen, aber Songs wie Melancholy Angel und Armada live zu hören, hat in mir schon den Gedanken hervorgerufen, ob es nicht sinnvoll wäre, sich die Tour von ihnen zusammen mit WARKINGS im nächsten Jahr anzuschauen… Aber gut, wir werden sehen, was bis dahin ist!

Mein absolut unbestrittenes Highlight an dem Tag waren aber AVATARIUM. Die Schweden um Sängerin Jennie-Ann Smith konnten im letzten Jahr aufgrund der wetterbedingten Evakuierung des Festivals nicht auftreten und daher habe ich mich besonders auf sie gefreut. Und Leute, was war das für ein geniales, emotionales und musikalisch perfektes Set???? Ich liebe die detailverliebten Gitarrensoli, den bluesigen Sound von Jennie’s Stimme und das unkonventionelle Songwriting einfach! Mit Songs wie Rubicon, Moonhorse und Long Black Waves haben sie sich nur noch weiter in mein Herz gespielt. Selten habe ich beim Rockharz einen so echten, verletzlichen und doch kraftvollen Auftritt erlebt! Die Art und Weise, wie die Band zusammenkommt, um ihre Musik zu spielen, hat etwas intimes und spirituelles, was mich teilweise wirklich zu Tränen gerührt hat, weil ich mich so sehr gefreut habe, sie endlich live sehen zu können. Das war definitiv nicht das letzte Mal, das ihr hier von ihnen gelesen habt!
Nach mehr als einer Stunde in der Sonne, musste ich erstmal was trinken und ein bisschen Schatten suchen. In der Zeit haben COMBICHRIST die Rock Stage erobert. Normalerweise ist das ja mal so gar nicht meine Musik, aber das hat mich dann doch mehr abgeholt als ich dachte! Das ist ja aber auch das schöne an der Arbeit an diesem Blog: Man entdeckt immer wieder Dinge neu, die man für sich eigentlich ausgeschlossen hatte! Insofern die perfekte Musik für meine Pause!
Weiter im Programm ging es dann mit FROG LEAP. Ganz ehrlich? Keine Ahnung, was ich dazu noch sagen soll… Wie euch ja vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich ein bisschen ein Problem damit, wenn man sich auf der Arbeit anderer ausruht. Insofern hatten FROG LEAP schonmal einen schweren Start. FROG LEAP ist ein YouTube-Projekt, das sich auf Metal Cover von bekannten Songs aus der Popkultur spezialisiert hat und das auch wirklich erfolgreich ist. Ich, für meinen Teil, kann diesen Hype absolut nicht nachvollziehen. Es ist eine Coverband… Warum gibt man ihnen einen 45min Slot zur besten Spielzeit auf einem großen Festival? Ich finde den Ansatz, Projekte zu buchen, die online große Erfolge feiern, grundsätzlich richtig und wichtig, aber dann sollte man auch Bands buchen, die originales Material vorzuweisen haben und mir ist dabei auch durchaus bewusst, dass FROG LEAP auch auf anderen großen Festivals auftreten. Da ist es mir ebenso unverständlich. Wenn man so eine „Band“ bucht, dann kann man ihnen auch einen Eröffnungslot oder einen generell früheren Spielplatz geben. Die musikalische Leistung war aus meiner Sicht nämlich auch nicht so das wahre, das war alles irgendwie unstimmig… Insofern sind FROG LEAP bei mir leider durchgefallen.

Mehr Party war da schon bei MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN drin! Zugegeben, ich würde mich da auch nicht als Fan bezeichnen, aber es macht schon sehr viel Spaß ihnen zuzuhören. Man hat ihnen auch wirklich angemerkt, dass es für sie sehr emotional ist, dass sie mit jedem weiteren Rockharz-Auftritt mehr und mehr Menschen vor die Bühne ziehen. Es war kurzweilig, witzig und die Musik hat ja immer auch diesen „Lass deine Sorgen zuhause“-Faktor, den ich an der Stelle im Tag sehr passend fand. Mich hat vor allem das Mega-Medley sehr abgeholt! Auch wenn ich an dieser Stelle einmal anmerken will, dass Pyrotechnik nicht zwangsläufig ein Verbrechen ist, sondern wahrscheinlich eher ein Vergehen. Verbrechen sind ja nur solche Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. Wer einfach nur ein bisschen Pyrotechnik hat, der wird das in den seltensten Fällen erreichen (andere Fallkonstellationen mit einer solchen Strafe sind aber durchaus denkbar).
Das Stimmungsbarometer blieb auch direkt auf „Party“ eingestellt, denn nach MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN standen DRAGONFORCE in den Startlöchern. Schon die überdimensionierten Arcade Machines und der große Drache auf der Bühne haben den Anwesenden gezeigt, dass es hier gleich rund geht! Mit Songs wie Power of the Triforce, A Draco Tale, Cry Thunder und natürlich Through the Fire and Flames bewiesen DRAGONFORCE einmal mehr, warum sie ihren legendären Status mehr als nur verdient haben! Mein einziger Kritikpunkt gilt einer (oder mehrerer Personen) im Publikum: Währen Power of the Triforce hatte die Band ein Plüsch-Huhn in die Menge geworfen, unter der eindeutigen Bedingung, dass dieses Huhn nach Ende des Songs wieder auf die Bühne zurückkommen sollte. Das ist nicht passiert und irgendwer hat es sich unter den Nagel gerissen… Dieser Person wünsche ich, dass sie barfuß in Klemmbausteine tritt! Sowas macht man einfach nicht!
Da man beim Rockharz ja Kontraste sehr gern hat, machte ABBATH als nächstes die Bühne unsicher. Nicht nur er, sondern auch seine IMMORTAL-Shows sind absolut legendär und ich bin ehrlich: Das war für mich sehenswerter als der Rest der an dem Tag noch auftretenden Bands! Es hat mich einfach ganz besonders angesprochen, dass ich endlich mal die Gelegenheit hatte Sons of Northern Darkness, One by One, Blashyrkh (Mighty Ravendark) oder Withstand the Fall of Time live zu hören! ABBATH hat das Festival wahrlich mit seiner pompösen Black Metal Dekadenz überzogen und ich habe jede einzelne Sekunde aufgesogen und genossen! Zugegeben, das ist nicht für jeden etwas, aber sowohl ABBATH als auch IMMORTAL gehören für mich einfach zum Metal 1×1 und insofern bin ich wirklich glücklich, dass dem am letzten Festivaltag Rechnung getragen wurde.

Ich bin ja nun erwiesenermaßen kein Fan von Dark Rock, insofern hat mich das Set von ASP auch nicht gereizt. In der Zeit habe ich mich dann nochmal gestärkt und das Ganze aus der Ferne angeschaut. Was man der Band definitiv lassen muss, ist das harmonische Songwriting, was mir stellenweise aber leider zu sanft ist. In Kombination mit dem Headliner IN EXTREMO an dem Tag war es aber auch stimmig, sodass ich hier an sich nichts auszusetzen habe.
Das Set wurde aber auch enorm von dem wirklich süßen Heiratsantrag überstrahlt, den Veranstalter Buddy unserer Festivalmama Dani kurz darauf gemacht hat!
Wenn ihr bis hier hin gekommen seid, dann herzlichen Glückwunsch! Wie ihr vielleicht gemerkt habt, war der Rockharz Samstag absolut nicht mein Tag und das Headline-Set von IN EXTREMO hat diesen Eindruck nochmals zementiert. Auch wenn die Musik von IN EXTREMO absolut nicht schlecht ist, sind sie für mich einfach nicht mehr relevant genug, um Headliner zu sein. Das ist das gleiche Problem, das ich auch schon bei SAXON am Mittwoch hatte und was mit meinen oben dargestellten Kritiken und Wünschen an und für das Rockharz verbunden ist. IN EXTREMO gehören für mich zu einer Gruppe von Bands, die ihren Zenit schon hinter sich haben und denen man diese Art Festivalslot nicht mehr geben kann. Nach dem dritten oder vierten Song habe ich immer das Gefühl, dass ich das Set schon zigmal gesehen habe, da kommt kaum was neues und so einen „Wow! Dass man mal diese Band hier sieht!“-Faktor hat es auch nicht… Ich hoffe also inständig, dass man hier im nächsten Jahr im Booking noch mehr wagt!
Apropos „etwas wagen“: Die letzte Band des Tages und somit auch des Festivals waren TRAGEDY. Wenn sich an einem Tag die Geister an einer Band geschieden haben, dann war es wohl bei TRAGEDY! Für die einen war es unerträglicher und dissonanter Klamauk, für andere (zu denen ich zähle) war es einfach komplett bescheuerte Unterhaltung, die genau deswegen Spaß macht, weil da nichts ernsthaft betrieben wurde. Ich war ohnehin von dem Tag ein bisschen enttäuscht und da war eine Band, die einen komischen Tänzer auf der Bühne hat, eine willkommene Abwechslung. So wie ich das mitgekriegt habe, haben sie auch nur Cover gespielt und das teilweise auch nicht mal gut, aber so als letzte Band war das voll ok! Und ganz ehrlich, so ein Cover von ABBAS Lay Your Love On Me ist um 1 Uhr nachts einfach ein Vibe!
Damit sind wir auch schon am Ende des vierten und letzten Tagesbericht angelangt! Das ging ebenso schnell vorbei, wie das eigentliche Festival! Wer sich jetzt aber fragt, wie er seine Sehnsucht nach dem besten Festival Deutschlands weiter tilgen kann, dem sei gesagt: Hier geht es noch mit dem letzten Interview weiter! Freut euch auf ein Gespräch mit einer wundervollen Musikschaffenden, die mich wirklich beeindruckt hat! Ansonsten sehen (bzw. lesen) wir uns bei verschiedenen Konzerten im Raum Leipzig und natürlich nächstes Jahr wieder beim Rockharz. Getreu dem Motto „Made from Metal, Beer and Best Friends!“


1 Kommentar zu „Der Anfang, das Ende und alles dazwischen – Rockharz 2025 Tag 4“