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Es ist vielleicht ein bisschen floskelhaft, aber wenn man etwas im Leben wirklich will, dann muss man auch ernsthaft verfolgen und sich nicht davon abbringen. Charles Bukowski fasste es mit „Find what you love and let it kill you“ zusammen und das ist in kaum einem Bereich so lebensnah wie in der Musik. Wie viele sind gescheitert oder haben aufgegeben, weil die Hürden so groß erschienen? Eine Band, die sich, ZUM GLÜCK, nicht hat vom Weg abbringen lassen, sind CHAOSBAY. In den letzten fünf Jahren, die seit unserem ersten Interview vergangen sind, hat sich bei ihnen einiges getan. Welche Konstanten haben sich dabei ergeben? Wie wirkt sich das Tourleben auf das Songwriting aus? Und auf welches technische Gerät ist Matze mal vor einer Show gefallen? All das uns mehr findet ihr im unterstehenden Interview mit Sänger Jan!
Danke auch wieder an lightinmirror.de für die Bilder! Was wäre dieses Presseerzeugnis nur ohne dich?

Shieldmaiden’s Voice: Welche Bedeutung hat Musik für dich?
Jan Listing: Es ist mein Lebensinhalt mittlerweile, vom beruflichen bis ins private. Eigentlich bestimmt Musik alles. Es hat daher eine allumfassende Bedeutung dahingehend, dass ich schon gar nicht mehr darüber nachdenke, sondern dass es einfach da ist. Es ist wie atmen!
SV: Wie äußert sich das dann in Bezug auf CHAOSBAY?
Jan: Es ist über die letzten Jahr immer wieder gewachsen, sowohl die Band aber auch der Zeitaufwand, den es braucht, um sie am Laufen zu halten und so wird die Band dann eben auch zum Alltag. Das meine ich aber ganz positiv! Es ist wirklich schön, wenn man in seinem Alltag mit seiner Band arbeiten kann.
SV: Was ist euer größter Beitrag zur Fortentwicklung eures Genres?
Jan: Uns ist jetzt schon öfter aufgefallen, dass wir die Brücke schlagen zwischen technisch anspruchsvollem Prog und der guten Laune und der Party. Wir binden die Leute viel mit ein und bei uns kann man eben sowohl viel mitmachen als auch gut an der Seite stehen und sich das Ganze in Ruhe anschauen. Alle können uns live so genießen, wie es für sie am besten passt. Das macht Spaß!
SV: Ich weiß gar nicht, ob dir das so bewusst ist, aber das erste Interview, was wir gemacht haben, liegt schon fünf Jahre zurück. Die Zeit ist gerannt seitdem und ihr habt unheimlich viele Sachen machen können, hattet einige Erfolge, was ist es also für ein Gefühl, dass das so angelaufen ist, wie du dir das vorgestellt hast?
Jan: Das ist ein sehr, sehr gutes Gefühl! Man hat natürlich zwischendrin immer wieder Phasen, in denen man an kleinen Problemen irgendwie festhängt und sich denkt: „Mist, warum funktioniert das jetzt nicht?“, aber wenn man mal Zeit hat, aus der Ferne darauf zuschauen, dann ist das schon sehr schön und da ist man auch fast so ein bisschen stolz!
SV: Was sind dabei Konstanten, die sich in eurer Musik bewährt haben?
Jan: Da muss ich kurz überlegen… Es ist bestimmt die Art von Harmonie und Emotionen, die wir rüberbringen, sowohl in den prog-lastigeren Songs als auch in den eingängigeren Songs. Zumindest wenn man sich an das Feedback hält, das wir von vielen Leuten bekommen. Anscheinend erkennt man uns daran auch, was uns selbst gar nicht auffällt, beziehungsweise fällt es uns selbst auch schwer unseren eigenen Stil herauszuhören. Andere Leute sagen aber, dass man das sofort hört und das ist ja auch voll das schöne Gefühl! Ich glaube, es liegt vor allen an den Harmonien und den Akkorden und natürlich auch an Patrick’s Schlagzeugspiel, was in jedem Fall eine Konstante ist. Eine weitere Konstante ist aber auch, dass unsere Songs immer irgendwie catchy sind.
SV: Euer letztes Album Are you Afraid? lief ja auch gut! Was hat dieses Album für euch verändert?
Jan: Es hat uns mehr zusammengeschweißt! Wir haben diesen ganzen Prozess vom Schreiben bis hin zu den ganzen Videodrehs noch viel gemeinschaftlicher gestaltet. Das hat unser Gruppengefühl viel mehr gestärkt. Wenn wir jetzt live spielen oder auf Tour sind, fühlt es sich einfach viel eingespielter an und das hat das Album irgendwie geschafft. Keine Ahnung, warum, aber es war so!

SV: Was waren dabei so Erlebnisse, von denen du sagst, dass es Sachen waren, die du von deiner Bucket List streichen konntest?
Jan: Die erste Nightliner-Tour zusammen mit SIAMESE Anfang des Jahres! Das war etwas, was ich unbedingt mal mit einer eigenen Band machen wollte und wir Habens geschafft! Jetzt können wir aufhören! [wir lachen]
SV: Ihr seid dieses Jahr auch unheimlich viel unterwegs. Gibt es da Songs, von denen du sagst, dass du sie absolut nicht mehr hören kannst?
Jan: Ja, schon, aber das merken wir immer früh genug und dann nehmen wir sie rechtzeitig auch von der Setlist und ersetzen sie dann durch neue Songs, die wir dann nach einem halben Jahr nicht mehr hören können! [wir lachen] Quatsch! Es gibt Sachen, die sich durchziehen und die auch nie langweilig werden, einfach auch weil sie das Publikum so schön mitziehen. Die müssen wir dann einfach immer spielen. Bei anderen wird es natürlich irgendwann anstrengend und dann müssen wir sie kurz mal austauschen. Jetzt haben wir schon so lange getourt, dass wir Songs, die wir lange nicht gespielt haben, wieder ins Set nehmen und das ist auch irgendwie schön, wenn man sie dann wiederentdeckt.
SV: Ihr habt letztes Jahr eine Headliner-Tour gemacht und dieses Jahr dann wieder eine. Ist das nicht ein bisschen viel?
Jan: Das sollte eigentlich nur eine Tour sein, aber aus verschiedenen terminlichen und organisatorischen Gründen, die auch die Support-Tour für SIAMESE betreffen, haben wir das einfach aufgeteilt. Wir haben letztes Jahr die eher kleinen Städte gespielt, dann die SIAMESE-Tour und jetzt kommen eben die größeren Städte. Es geht, weil es nicht die exakt gleichen Städte sind, es überschneiden sich höchstens zwei.
SV: Wenn man so viel zusammen unterwegs ist, dann verbringt man logischerweise viel Zeit miteinander. Wie beeinflusst das euer Songwriting?
Jan: Man lernt natürlich den Geschmack der anderen kennen, beispielsweise weil man zusammen im Auto Musik hört. Es ist immer wieder spannend zu hören, worauf die anderen so stehen. Man kriegt so das musikalische Feuer der anderen vermittelt und das merkt man, auch wenn es etwas subtiles ist. Ich denke da jetzt nicht aktiv drüber nach.
SV: Songwriting ist ja auch etwas, was ihr sehr gut macht. Enemy war dabei das letzte Stück, das ihr veröffentlicht habt. Ist das schon ein Ausblick auf mehr?
Jan: Nein, das ist der Rückblick auf das Album! Wir haben den Song mit Absicht nicht aufs Album gepackt, weil der nicht gepasst hat. Wir finden es besser, wenn kurz und bündig ist und da wäre er einfach zu viel gewesen. Wir wollten lieber weniger Songs als mehr, damit man nicht schon nach zwei Dritteln gelangweilt ist, sondern sich das Album lieber noch einmal mehr anhört. Dadurch, dass wir dann mehr Songs geschrieben haben als dann auf das Album gekommen sind, und Enemy so gut war, dass wir den nicht in der Schublade verschwinden lassen wollten, haben wir ihn dann eben jetzt veröffentlicht.
SV: Heißt das, dass wir in Zukunft noch mehr erwarten können?
Jan: Ja, das sowieso!
SV: Ok, fair, aber in näherer Zukunft?
Jan: In näherer Zukunft nicht, weil jetzt erstmal ein neuer Zyklus beginnt. Es dauert aber auf keinen Fall bis übernächstes Jahr!
SV: Die Tour läuft ja noch ein bisschen: Was verpasst jemand, der euch nicht live sieht?
Jan: Extrem viel Spaß, sowohl für uns auf der Bühne als auch für das Publikum. Es ist immer sehr viel Energie im Raum. Wir spielen druckvolle Gitarrenmusik und da hat man einfach eine gute Zeit!

SV: Was sind Überraschungen, die ihr in eurem Leben aufTour schonmal erlebt habt?
Jan: Ich muss sagen, dass bisher alles immer erstaunlich glatt ablief! Ich bin so ein Typ, dass ich immer das schlimmste erwarte. Nicht qualitativ, sondern ich habe immer Angst, dass irgendwas schief geht und bin sehr nervös. Es ist bisher auch erstaunlich selten etwas schief gegangen! Es wurde noch nie etwas gestohlen, es lief auch bisher noch kein Konzert irgendwie voll daneben und wir hatten auch noch nie Stromausfall! Die größte Überraschung ist eigentlich, dass Matze mal auf den laptop gefallen ist, aber der funktionierte danach noch!
SV: Was sind Dinge, auf die du dich auf der Tour besonders freust?
Jan: Wir haben dieses Jahr kein Album herausgebracht, weswegen wir uns die Freiheit genommen haben, um das Set noch ein bisschen mehr zu mischen als sonst und mal wieder ein paar Sachen zu spielen, die uns wirklich am Herzen liegen. Wir wollen einfach einen kompletten Querschnitt zeigen und das ist total cool. Es läuft auch sehr gut, die Leute nehmen es super an und freuen sich über viele Songs, die wir lange nicht gespielt haben. Ich freue mich wirklich jedes Mal, wenn die Leute so ein Strahlen im Gesicht bekommen, weil sie einen Song schon lange nicht mehr live gehört haben.
SV: Was steht über die Tour hinaus in näherer Zukunft für euch noch an?
Jan: Wir spielen noch zwei Konzerte, von denen das in Essen schon ausverkauft ist. Am 15.11. passiert etwas ganz Besonderes, denn in München spielen wir noch ein Konzert mit SIAMESE und TENSIDE. Mit letzteren waren wir ja auch schon auf Tour. Das Ganze findet in einer neuen Location statt und das wird nochmal sehr besonders bevor wir ein bisschen länger nicht spielen. Dann gibt es hier und da noch ein paar Gastauftritte, aber da darf ich noch nichts zu sagen…
SV: Wenn du über die Tour und die weiteren Live-Termine hinausschaust, was sind Wünsche, die du für die Band hast?
Jan: Schöne, große Festivals! Das ist einfach immer der Traum. Viele schöne weitere Touren über die ganze Welt verteilt, aber gerne erstmal nur Europa. Darüber würde ich mich am meisten freuen, weil wir einfach die beste Zeit haben, wenn wir live spielen.
SV: Du bist ja nun schon länger in der Musikszene aktiv, du weißt, wie viele Dinge funktionieren. Was sind Tipps, die du anderen, aufstrebenden MusikerInnen geben würdest, die du du selbst gern gehabt hättest?
Jan: Da kann ich einfach nur an den Tipp denken „Haltet einfach durch!“, denn das haben wir nicht gemacht und sind nur knapp der Auflösung entkommen, weil wir diesen Tipp entweder nicht bekommen haben oder es einfach nicht beherzigt haben. Man muss wirklich länger dran glauben als man denkt und man muss wirklich länger dran bleiben. Wir haben nochmal die Kurve gekriegt, weil ein paar Sterne günstig standen und jetzt dürfen wir das nochmal so erleben. Das ist einfach total schön! Auch wenn es Jahre dauert, muss man auf jeden Fall dran bleiben! Man darf sich auch nicht gegen Feedback wehren, sondern muss es auf jeden Fall annehmen! Klar, hat man immer irgendwie das Gefühl, dass man nicht so sehr auf das hören sollte, was andere sagen, aber ehrliches Feedback, von Leuten, die nicht aus dem engeren Umfeld sind, ist super wertvoll, um objektiv dranzubleiben.
Einen viel besseren Tipp als diesen kann es fast nicht geben! Also, liebe Bands, bleibt dran und dann kann es für euch auch stetig voran gehen.
Ich bin tatsächlich fast ein bisschen traurig, dass es das erstmal von CHAOSBAY gewesen ist, aber wer weiß, was im nächsten Jahr so passiert. In unseren Herzen haben die Jungs auf jeden Fall einen Dauerplatz. Hier geht es bald weiter mit schamanenhafter Musik, der Frage, wie weit sich eine Band überhaupt verändern darf, bevor sie sich endgültig von sich selbst entfernt hat und einer gewissen Portion Ultima Ratio… Bleibt gespannt!

