Die musikalische Interpretation des Gleichgewichts  – Ein Interview mit EQUILIBRIUM

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Seit kurzem ist es offiziell: EQUILIBRIUM werden am 28.11.2025 ihr neues Album Equinox veröffentlichen. Auf kaum ein anderes Album habe ich in jüngerer Vergangenheit so sehr gewartet, wie auf dieses! Es bleibt noch abzuwarten, wie Equinox beim Publikum ankommen wird, aber schon jetzt kann man anhand der bereits erschienenen Singleauskopplungen sagen, dass für die Band eine neue Ära angebrochen ist. Das ist für mich Grund genug, um mal ein paar Fragen loszuwerden! Am Rande des Ultima Ratio Festes in Leipzig, haben sich die Songwriter Jessica Rösch und René Berthiaume Zeit genommen, um meine wichtigsten Anliegen zu besprechen. Welche musikalische Reise erwartet uns? Warum gibt es kein Sagas 2? Welche Verbindungen zur Natur gibt es? All das und mehr lest ihr im Interview!

An dieser Stelle, wie immer, vielen lieben Dank an lightinmirror.de für die wundervollen Bilder! Außerdem vielen lieben Dank, dass ich vorab die Gelegenheit hatte, dieses Album zu hören!

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

Shieldmaiden’s Voice: Was ist eure größte musikalische Inspirationsquelle?

Jessica Rösch: Für mich ist es auf jeden Fall die Natur und Folklore

René Berthiaume: Für mich ist es auch die Natur!

SV: Wie äußert sich das bei EQUILIBRIUM?

René: Bei mir ist es immer so, dass ich eine gewisse Szene oder eine Landschaft in Form eines Bildes im Kopf habe. Manchmal stelle ich mir auch einfach eine Landschaft als Hintergrundbild ein und das hilft mir dabei, ein Gefühl zu erschaffen und so vielleicht die ersten Akkorde zu finden, mit denen ich dann das Bild wiederfinde. Es drückt sich für mich also viel über die Harmonien aus. Ich gehe der Frage nach, wie es sich anfühlen würde, in diesem Setting zu sein. Wenn dann der Sänger dazu kommt, beschreibt er quasi, was in diesem Setting stattfindet. Das ist aber auch stets in der Hand der Person, die den Text schreibt. Das Setting oder die Atmosphäre hingegen sind für mich grundsätzlich immer eine Landschaft und ich versuche, die Farben in Musik umzuwandeln. Das ist nicht bei allen Songs so, aber zumindest bei den meisten. 

Jessy: Ich glaube, dass das generell bei den Texten auch so ist. Ich sehe immer Natur, ich sehe immer Bilder. Für mich stellt sich das aber auch in Kleidung, in Textur dar und auch in den Gemälden, in den Artworks. Es ist alles sehr natürlich. Da findet die Natur immer irgendwie statt!

SV: Jessy, du stehst ja nicht aktiv mit auf der Bühne. Vielleicht kannst du einmal für die, die dich nicht kennen, beschreiben, was deine Tätigkeit in der Band ist und wie du dazu gekommen bist.

Jessy: René und ich kennen uns schon seit 2008, also schon ganz, ganz lange. Um 2014 oder 2015 herum habe ich dann angefangen kleinere Dinge für die Band zu machen. Das war dann vor allem Grafik-Design, Merch-Design und Musik damals noch gar nicht tatsächlich. Ich hatte eigentlich gar nichts mit Musik zu tun. Mit Renegades kam das mit der Musik auf, weil ich dort die ersten Texte geschrieben habe. Da war auch der Plan, dass ich mit auf die Bühne komme. Für mich ist es aber so, dass ich ein super introvertierter Typ bin und das war so viel Druck, dass ich mich mit der Bühne so schwer getan habe. Ich würde nicht sagen, dass es immer so sein wird, aber damals war ich auf gar keinen Fall soweit, um mit der Musik nach außen zu gehen. Da musste ich einfach meinen Weg in die Musik erst selbst finden. 2019 habe ich auch für mich erst die Musik entdeckt. Ich wusste vorher gar nicht, dass ich Musik schreiben kann! Jetzt bin ich bei EQUILIBRIUM vor allem im Hintergrund: Ich schreibe Texte, mache die Artworks, kümmere mich um die Visuals, also das Erscheinungsbild, die Kleidung und das Bühnendesign. Beim neuen Album war es jetzt das erste Mal so, dass ich Musik geschrieben habe. Das hat sich langsam und ganz natürlich ergeben. 

René: Ich bin normalerweise auch sehr empfindlich, wen ich ranlasse an die Musik. Es muss sich ja richtig anfühlen und wenn Leute einen Impuls geben, dann muss der zu EQUILIBRIUM einfach passen. Es ist auch egal, wie nah mir die Leute sind, aber hier hat es sich richtig angefühlt. Jessy hat mir die ersten Sachen gezeigt, ohne aber zu sagen, dass es auch etwas für EQUILIBRIUM sein könnte, und ich habe das gehört und gedacht: „Oh, das könnte gut zu EQUILIBRIUM passen!“. So hat sich dann auch die musikalische Zusammenarbeit entwickelt. 

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Das ist ja eigentlich auch die perfekte Überleitung zum Album an sich! Ihr habt ja nun mittlerweile mitgeteilt, dass es am 28.11.2025 erscheinen und Equinox heißen wird. Könnt ihr bitte einmal beschreiben, was die HörerInnen aus eurer Sicht erwartet?

Jessy: Es ist ein riesiges Abenteuer und für mich ist es eine große Reise!

René: Wir haben als erstes ja Bloodwood als Singe herausgebracht und da sind wir in einem anderen Interview gefragt worden, inwiefern dieser Song repräsentativ für das Album steht. Es ist aus meiner Sicht genauso repräsentativ, wie Blut im Auge repräsentativ für Sagas ist. Es gibt natürlich eine bestimmte Richtung, aber es sind trotzdem total unterschiedliche Songs dabei. So ist es auch bei Equinox. Ich würde sagen, dass es eine Überraschungsbox ist! Mit Renegades  haben wir einen starken Schritt in Richtung moderne Sounds gemacht und dieser Schritt war extrem wichtig für die Entwicklung, die wir jetzt durchleben. Wir haben auch einige Jahre verstreichen lassen, auch durch den Sängerwechsel und Corona. Bei Renegades habe ich den Großteil der Musik allein geschrieben und auch wenn es mir nicht egal war, was die Leute darüber gedacht haben, habe ich doch nur an mich gedacht und mich gefragt, worauf ich gerade Lust habe. Ich hatte eben keine Lust mehr, die ganzen Old-School-Sachen zu machen, weil wir die die ganzen Jahre davor schon gemacht hatten. Ich wollte mehr Modernes und das war eine wichtige Entwicklung. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem merken, dass wir den modernen Vibe haben und gleichzeitig haben wir zu älteren, organischen oder auch ethnischen Elementen zurückgefunden. Diese Elemente mit dem modernen Sound zu kombinieren, war das, was bei Equinox stattgefunden hat. 

SV: „Equinox“ ist ja die Tag- und Nachtgleiche. Das ist ja auch so eine Art von Gleichgewicht. Was für ein Gleichgewicht wollt ihr musikalisch mit Equinox erreichen?

Jessy: Dieser Name gibt total gut wieder, was EQUILIBRIUM musikalisch ausstrahlt. Es ist eben genau diese Balance. Es gibt eben diese energiegeladen, kraftvollen und positiven Songs und auch diese dunklen, düsteren Themen. Diese beiden Seiten finden sich hier einfach wieder. 

SV: Einer der Kritikpunkte, den man viel online lesen kann, ist, dass ihr wieder mehr Musik wie bei Sagas machen solltet. Warum seid ihr beispielsweise mit Bloodwood nicht noch mehr in diese Richtung gegangen?

Jessy: Das wäre zu einfach!

René: Ja, das wäre tatsächlich zu einfach. Es gäbe nichts einfacheres als ein Sagas 2 zu machen. Aber wir haben eben schon Sagas gemacht. Selbst wenn wir ein Sagas 2 machen wollten, wäre es einfach nicht authentisch und wir würden nur den Stimmen nachlaufen, die uns immer kritisieren. Aus künstlerischer Sicht macht das für mich einfach keinen Sinn, weil man nicht das ausdrückt, was man ausdrücken will, sondern das, was andere von dir wollen. Selbst wenn man diese Stimmen außer Acht lässt, ist es bei Konzerten oder Festivals beispielsweise so, dass die neuen Songs live einfach besser funktionieren. Das alte Zeug ist eben auch schon über 15 Jahre alt…Das Feedback bei den neuen Songs ist live einfach viel besser. Das macht auch irgendwie Sinn, denn Sagas ist, meiner Meinung nach, bis auf zwei oder drei Songs einfach nicht live-tauglich. Die Songs sind stellenweise extrem lang, total vertrackt und vielschichtig. Das ist bei den neuen Songs zwar auch so, aber sie sind trotzdem immer mit dem Hintergrund geschrieben, dass das auch live funktioniert, dass sie nicht zu lang sind, dass sie nicht zu kompliziert sind. Sie sollen live gut klingen und das war bei Sagas immer ein Problem. Wir haben Sagas bei ein paar Shows komplett durchgespielt und es war ganz nett, aber für ein Konzert ist das einfach nicht geeignet. Wir sehen EQUILIBRIUM aber schon als Live-Band, sodass die Spielbarkeit ein wichtiger Punkt beim Songwriting ist. 

SV: Ein roter Faden, der sich für mich durch Equinox zieht und den man auch im Video zu I’ll be Thunder sehen kann, ist diese Hinkehr zu mehr Schamanismus und Spiritualität. Warum habt ihr euch entschieden, diese spirituellen Aspekte in das Album einzubringen?

Jessy: Ich glaube, es liegt daran, dass es in unserem Leben eine größere Rollen gefunden hat. Wenn man das mit Renegades von vor sechs Jahren vergleicht, dann waren wir persönlich auch nochmal auf einer ganz anderen Ebene. Es hat zuerst in meinem Leben Einzug gehalten, dann bei René und das war dann jetzt einfach der nächstlogische Schritt. Das hat sich ganz natürlich ergeben. 

René: Als wir angefangen haben, da war unser erstes Album total von der Edda inspiriert, also von der nordischen Mythologie. Es waren ja diese Geschichten, die wir neu interpretiert haben. Bei Renegades gab es ja schon nicht mehr so viele Metaphern und Nebenkriegsschauplätze. Es war alles einfach viel direkter. Ich tue mich immer ein bisschen schwer mit dem Wort „Spiritualität“, weil viele das auch mit Esoterik vermischen. Das, was Equinox ist, und was du mit Schamanismus interpretierst, ist für mich einfach die Verbindung zur Natur, zu unseren Vorfahren und zum Universum und allem, was damit zusammenhängt. 

SV: So ein bisschen die Verkörperung dessen?

René: Ja, genau! Das versuchen wir sowohl musikalisch als auch durch die visuellen Elemente mitzubringen. Wir wollen keine spezielle Kultur darstellen. Alles ist inspiriert von allem, genau so wie die Musik! Bei der Musik war es nie so, dass wir gesagt haben, wir machen jetzt authentisch eine bestimmte Richtung, sondern es waren immer verschiedene Inspirationen und Impulse, die wir genommen und daraus unseren eigenen Sound geschaffen haben. 

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

SV: Thema „Authentizität“ ist vielleicht kein schlechtes Stichwort. Bei allen Sprachen, die ich gelernt habe, habe ich gemerkt, dass ich zu meiner Muttersprache, dem Deutschen, ein ganz anderes Verhältnis habe als zu den erlernten Sprachen. Eine Sache, die man auch viel online liest, ist die Frage, warum es bei EQUILIBRIUM keine deutschen Sonst mehr gibt. Warum ist das so?

Jessy: Es liegt einfach daran, dass EQUILIBRIUM keine rein deutsche Band mehr ist. Wir haben Hati schon so lang, dann war Skar ja zwischendrin auch Teil der Band. Untereinander sprechen wir alle Englisch.

René: Wir sprechen wirklich die ganze Zeit Englisch. Seit 2010 fühlt sich EQUILIBRIUM auch nicht mehr als deutsche Band an. Es ist eben eine internationale Band. Wir haben aber auch ab und zu experimentiert, ob zu dem einen oder anderen Song ein deutscher Text passen würde und es war für uns einfach nicht stimmig. Sollen wir, nur weil wir ursprünglich eine deutsche Band waren, uns zwingen, in diese Richtung zu gehen? Wenn es nicht passt, dann passt es eben nicht.

Jessy: Beim Album war ein Song namens Anderswelt, für den ich tatsächlich einen deutschen Text geschrieben hatte. Den deutschen Text fand ich in sich super schön, aber als wir den Song zusammen mit Fabian gehört haben, war es einfach nicht authentisch. Der Text ist schön, der ist da und vielleicht macht man davon mal eine Version, aber es hat sich einfach nicht richtig angefühlt. 

SV: Das wäre nämlich an der Stelle genau meine nächste Frage gewesen. Denn ich habe den Titel des Songs gelesen und mich darüber gefreut, dass es einen deutschen Song auf dem Album geben wird. Dann setzten die Lyrics ein und er war auf Englisch… Ich empfand das als irreführend, weil die Leute das ja lesen und mit der Erwartungshaltung herangehen, dass sie einen deutschen Song erhalten. Das habe ich deswegen auch nicht ganz verstanden, denn man hätte den Titel ja auch in „Otherworld“ umbenennen können. 

Jessy: Das ist dann aber die Liebe zu manchen deutschen Wörtern! Für die gibts einfach keine englische Entsprechung. Wenn ich jetzt „Otherworld“ nehmen würde, wäre es irgendwie anders und würde nicht das ausdrücken, was Anderswelt aussagt. Es gibt so manche Wörter, die im Deutschen so viel schöner sind.

René: Das ist einfach unser Beitrag für die, die deutsche Songs wollen. Immerhin ist der Titel auf Deutsch! [wir lachen]

SV: Nun aber zu einem leicht anderen Aspekt: Ihr habt heute Nexus gespielt, der der letzte Song auf dem Album ist. Wird der Song noch als Single erscheinen? Wird es noch weitere Singles geben? Was können wir da erwarten?

René: Es kommen auf jeden Fall noch Singles! Nexus wird auf jeden Fall mit Albumveröffentlichung noch herauskommen.

SV: Eine Sache, die du, René, Ende 2024 in einem Video gesagt hast, war, dass es ein längeres Instrumental geben wird. Ein Mana 2.0, sozusagen. Wie sieht es damit aus?

René: Das wird noch nachgeliefert! [wir lachen] Das ist eben das Problem, wenn man so etwas sagt und sich die Dinge dann ändern… Wir hatten Equinox ursprünglich als Equinox Pt. 1 und Equinox Pt. 2 geplant. Ich will auf jeden Fall ein Instrumental schreiben, weil ich da voll Lust darauf habe. Das hat auch nichts damit zu tun, dass man irgendwelche Algorithmen bedienen muss, weil das nichts bringt, wenn man so einen langen Song hat. Ich habe einfach Lust darauf! Das wird aber in einem anderen Rahmen dann stattfinden. Wenn Equinox erschienen ist, werden wir trotzdem gleich wieder ins Songwriting gehen. Durch die ganzen Veränderungen, die wir hatten, wie etwa mit Fabian, der ganz viel frischen Wind reinbringt oder dem Songwriting von Jessy, sind wir einfach ein gutes Team geworden. Wir können gleich weiter machen und wir wollen das auch. Nach Renegades hatten wir intern auch einige Probleme und bei mir war es auch so weit, dass ich keine Lust mehr hatte, Musik zu schreiben. Das war auch der Grund, warum wir Veränderungen vornehmen mussten, weil die Energien in der Band einfach nicht mehr gut waren. Jetzt fließt aber alles wieder und deswegen werden wir auch nicht wieder sechs Jahre Pause machen, sondern wir machen gleich weiter!

SV: Was macht das Album aus eurer Sicht besonders hörenswert?

Jessy: Für mich ist es das in sich stimmigste Album und so lange ich alles in und um EQUILIBRIUM herum kenne, ist es auch das authentischste Album. 

René: Ich finde es auch sehr authentisch. Es ist auch auf jeden Fall sehr abwechslungsreich und überraschend geworden. Ich denke auch, dass es, objektiv betrachtet, spannende, genreübergreifende Songs sind. Ich tue mich sehr schwer das einzuordnen. So geht es mir auch, wenn Magazine schreiben, wir wären eine Folk Metal Band. Das klingt für mich nicht richtig… „Epic Metal Band“ klingt für mich auch nicht richtig. Das Album wird auf jeden Fall überraschend sein!

SV: Wenn ihr euch für die Zukunft von EQUILIBRIUM eine Sache wünschen könntet, was wäre es?

Jessy: Ich wünsche mir, dass wir so weiter machen, wie es jetzt ist, weil es sich einfach schön anfühlt. Die Energien und das Gefühl Musik zu schreiben, ist einfach nur schön, weil es so lange nicht so war. 

René: Im Prinzip wollen wir jetzt einfach weitermachen und viele Konzerte spielen. Wir haben in den letzten Jahren, im Vergleich zu vorher, nicht mehr viel gespielt und es ist auch zauberhaft, dass wir jetzt wieder auf Tour sind. Für mich sind Konzerte, die Reisen und alles, was damit zusammenhängt, auch eine große Motivation.

EQUILIBRIUM @Felsenkeller Leipzig; Pic by lightinmirror.de (c) 2025

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